Teure Kultur

Kolumne von Rhaban Straumann und Matthais Kunz (Strohmann-Kauz)

S Du, Kauz, wir sollten vielleicht einmal Danke sagen.
K Weil die Sparmassnahmen die Kultur erreicht haben?
S Genau.
K Strohmann, spinnst du?!
S Sei ehrlich, Kultur hat doch eine riesige Anspruchshaltung gegenüber der öffentlichen Hand. Wie niemand sonst.
K Kennst du Kurzarbeit?
S Natürlich, also nicht persönlich. Wieso?
K Kurzarbeit ist vom Bund finanziert. Ebenso wie die Starthilfen für KMUs, die geheimen Steuerdeals mit den Grossen oder die Schweizerische Exportrisikoversicherung.
S Ja, aber da geht’s um…
K Oder die staatliche Medienförderung mit den Mehrwertsteuervergünstigungen und der verbilligten Distribution.
S Fertig? Oder hast du noch weitere Subventionen auf Lager?
K Sportförderung.
S Das wäre dann alles?
K Mal abgesehen von den immensen externen Kosten des Strassenverkehrs, die von der Allgemeinheit getragen werden.
S Peanuts! Und da geht’s um Arbeitsplätze. Aber ich vermute, sonst lebt niemand derart von Subventionen wie die Kulturbranche.
K Nein.
S Gut.
K Wobei, wenn die Atomstromproduzenten den GAU versichern müssten, den sie anrichten können und auch für Zwischen- und Endlagerung soviel einbezahlt hätten wie es kosten wird, wäre der Atomstrompreis schon lange dort, wo er hingehörte.
S Alles eine Frage der Lobby. „Seh ich dich im Strahlenmeer…“
K Unter uns gesagt: Subventioniert ist ja auch die ganze Bundesverwaltung mit dem garantierten jährlichen Lohnanstieg.
S Ja auch das sollen Arbeitsplätze sein. Sonst aber lebt bestimmt niemand so von Subventionen wie die K…
K Vielleicht noch die Hotellerie, die seit 1995, also fast 20 Jahre von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz profitiert. Der wurde dem Volk damals als kurzfristige Massnahme verkauft und kostet die Steuerzahler bisher fast 3 Milliarden Franken.
S Da geht’s halt um Arbeitsplätze!
K Staatliche Unterstützung haben die auch noch von der Tourismusförderung, der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit und Schweiz Tourismus.
S Wie gesagt: Arbeitsplätze.
K Oder die Landwirtschaft: 5 Milliarden pro Jahr! Davon gehen 1,5 Milliarden für Futtermittel direkt ins Ausland.
S Ebenfalls wichtige Arbeitsplätze.
K Anderes Beispiel: Die Schnapsbrenner mit der Schnapssteuerermässigung und den Fördermassnahmen für den Marktauftritt.
S Wir wollen Vollbeschäftigung.
K Für die Banker haben wir noch die Staatsgarantien, falls die wieder mal überborden sollten.
S Hab gehört, auch da würde gearbeitet.
K Sind nicht alle Bauaufträge der Öffentlichen Hand ein grosses Konjunkturpaket?
S Ja und vor allem Arbeitsplätze.
K Jetzt hör mal auf mit diesem Totschlagargument. Auch in der Kultur sind es Arbeitsplätze.
S Ach, hör doch auf! Ist doch alles freiwillig.
K 50’000 bis 200’000 Menschen arbeiten in der Kulturbranche, je nach Statistik.
S Echt? Das sind ja deutlich mehr als die 10’000 Beschäftigten in der Schweizer Rüstungsbrache.
K Richtig.
S Lustig, dass immer die mit den geschützten Arbeitsplätzen…
K Du meinst die in den unterstützten Arbeitsmärkten…
S Dass genau die den freien Markt in der Kultur fordern.
K Frei ist nur, wer das sagt, was die Leute nicht hören wollen.
S Aber man schmückt sich gerne mit Kultur.
K Und vergibt Preise.
S Ist wie Brot und Spiele.
K Selbst die wurden vom Staat finanziert.
S Was?
K Brot und Spiele.
S Dann zählen plötzlich nur noch die Einschlafquoten. Schöner, freier Markt.
K Schöne Illusion. – Du wolltest was sagen?
S Danke.

Die Kolumne ist im Dezember 2014 im Nebelspalter erschienen.
http://www.strohmann-kauz.ch

Kulturhaus Langenthal

von Matthias Kunz

Wer behauptet, Langenthal habe diverse Räume für Kleinkunst, liegt falsch. Und zwar richtig falsch. Denn Langenthal hat keine Kleinkunstbühne. Da können die Gegner der Stadttheatervorlage noch lange das Gegenteil behaupten. Das katholische Kirchgemeindehaus ist keine Kleinkunstbühne. Das Forum Geissberg ist schön renoviert, hat einen neuen Namen, ist aber weiterhin keine. Ebenso wenig das Zwinglihaus. Der Jugendtreff steht bekanntlich vor allemder Jugend zur Verfügung, das Dreilinden ist ein Eventtempel, und die geschlossene Mühle ist geschlossen.

An diesen und anderen Orten finden Anlässe statt, keine Frage, aber eine entsprechende Infrastruktur ist nirgends vorhanden. Es fehlt an einer Theaterbeleuchtung, an Vorhängen, Tontechnik oder einer Heizung. Als Beispiel sei hier nur das renovierte Forum Geissberg angefügt. Dort befindet sich die Steuerung für den Ton fest verbaut im Hinterbühnenraum. Der Tontechniker wird die Lautstärke im Saal nie hören.

Kleinkunst hat meist einen geringeren technischen Aufwand, aber nicht keinen, und sie lebt von der Atmosphäre des kleinen Saals und wird nicht für Mehrzweckhallen produziert.

Doch die Abstimmungsvorlage von der Kleinkunst abhängig zumachen, ist zu klein gedacht. Wer die Abstimmungsbotschaft liest, erfährt anderes: «Der neue Veranstaltungsraum wird als multifunktionaler Raumkonzipiert, der sowohl als Bühne als auch alsKurs-, Probe- und Arbeitsraumgenutztwerden kann.» Zudem hängt dieWirtschaftlichkeit des ganzen Hauses massgeblich vom zusätzlichen Raum ab. Genau dies wird ja immer wieder von der Kultur gefordert: Eigenwirtschaftlichkeit. Dies zu verschweigen, entspricht wahrscheinlich taktischen Motiven, auch die Behauptung, der Raum werde nur für zehn Veranstaltungen jährlich benützt.

Dass die Vorlage so schnell durchs Parlament kam, legt die Vermutung nahe, dass hier versucht wird, die Stadttheatersanierung gegen das Defizit der Budgetvorlage auszuspielen.

Die Konsequenzen einer allfälligen Ablehnungmuten schon fast satirisch an. «Gemäss den Angaben der kantonalen Gebäudeversicherung müsste bei allen Vorstellungen mit mehr als 200 Besuchenden (ca. 55 pro Saison) ein spezielles Sicherheitsdispositiv erstellt werden, bestehend aus der Anwesenheit von neun Feuerwehrleuten und von ausgelegten Schläuchen im Stadttheater» (O-Ton Abstimmungsbotschaft). Ein wahrlich beruhigender Anblick. Und nicht ganz gratis.

Verglichenmit ähnlichen Kulturhäusern in der Schweiz, ist diese Sanierung kein Luxus, sondern dringend nötig und vernünftig. Klar, viele Langenthaler gehen nie ins Theater. Aber viele gehen nie auf die Schlöf, in die Badi, in eine Turnhalle, ins Spital oder benützen nie eine Autobahn oder einen öffentlichen Bus. Doch ein Haus, das 20000 Besucher pro Jahr  anzieht, ist als kultureller und wirtschaftlicher Standortfaktor wichtig. Denken sie nur an die generierten Hotelübernachtungen, Inserate und Nachtessen. Dieses Kulturhaus gehört zu unserer Grundversorgung!

 

Matthias Kunz, aufgewachsen in Roggwil, lebt in Bern.

Fliegende Kuh & Börsenglück

Von Rhaban Straumann (www.rhabanstraumann.ch)

Manchmal ist Zeit, sich zu Glück, Pech und Zufall Gedanken zu machen. Der November eignet sich gut. Vor einem halben Jahr, Mitte April war die grosse Künstlerbörse der Schweizer Kleinkunstszene. Schaukasten der Eitelkeiten, Seiltanz zwischen Grosszügigkeit und Konkurrenz sowie Brutkasten des Erfolgs. Dort bewährt sich der richtige Mix des Cocktails: Talent, Können und Riecher, Hartnäckigkeit, Beziehungen und Glück. Sowie Multiplikatoren, die einen allfälligen Erfolg kommunizieren. Wollen.

Doch macht nicht erst Erfolg erst richtig erfolgreich? Bis die Gage derart unartig hoch wird, damit eine Handvoll Auftritte jährlich genügen würde? Oder reicht es, wenn die Leidenschaft zur Existenz wird? Welche Rolle spielen Fernsehen und Radio? Ist das Welt bewegend? Relevant? Kaum.

Wenn ich Erfolg höre, sehe ich eine fliegende Kuh. Das war 2010, zwischen Gastspielen in Konolfingen und Heidelberg. Beim Künstlerpech ist es der erste Auftritt an besagter Börse in Thun. 2004. Stück und Ensemble hiessen ‚Amor, Venus & Koller’. Das Künstlerdasein war eines ohne Agentur und Beziehungen, gänzlich unbekannt. Gezeigt wurden 20 Minuten. Ein begehrtes Zeitfenster. Jährlich melden sich Hunderte Ensembles und Einzelkünstlerinnen zum Familienfest der Kulturvereine an. Zum Handkuss kamen heuer rund 80. Die Mehrheit der Kleinbühnen gestaltet ihren Programmkuchen aus dem Teig, welcher ihnen da präsentiert wird. Ein Riesenglück also, dort auftreten zu können.

Pech, dass das Stück, welches im Hirn eines Mannes spielte, pantomimisch anmoderiert wurde. Um halb vor Mitternacht. „Gut gespielt, nix verstanden“, war die Rückmeldung. Ein Tausendköpfiges Unisono. Von Folgeauftritten, die Idee der Börse, keine Rede. Trotzdem spielten wir uns 50 Mal. Auch in Zürich, Bern und für das Team des Kassensturz’. Erst zuletzt Daheim in Olten. Kleiner Erfolg, grosse Genugtuung. Künstler leben auch ohne Börse. Nur ist der Weg ein anderer. Steiniger. Steil und fordernd. Das Folgestück ‚monopoly’ wurde am Telefon von Veranstaltern mit „habe euch in Thun gesehen“ abgelehnt. Scheitern kann nachhaltig Weh tun.

Sieben Jahre hiernach war uns das Börsenglück erneut hold. Dazwischen liegen einige 100 Gastspiele, aufgelöste und neue Ensembles, jährlich zwei Anmeldungen mit neuen Programmen in Thun, endlich eine Agentur und schau her: Ein Doppelgastspiel. ‚Ges(t)ammelte Werke’ und ‚ungerdüre’. Schönes Glück, grosses Echo. Dumm nur, dass die Programme schier schon ausgespielt waren.

Heuer, drei Jahre und nochmals mehrere 100 Gastspiele später, die Agentur eine neue, hatten ‚Ruedi & Heinz’ ihren Börsenauftritt. Beziehungen? Gute Frage. Die Bessere lautet: Wer hat die Besseren? Wer darf jede neue Produktion präsentieren? Wer nie? Die dumme Frage: Ist das gerecht? Bestimmen tut die Auswahlkommission. Und zuvor die Vorauswahlkommission.

Der Auftritt von ‚Ruedi & Heinz’ war ein Erfolg. Nachhaltig. Wir können bis im Herbst 2015 davon zehren. Welch ein Glück! Derweil frage ich mich, wie viel Platz haben Land und Szene für Zufälle und denke an die Kuh, welche ich auf dem Heimweg von Konolfingen fliegen sah. Ein Betrunkener fuhr sie an. Zufall. Dumm und tragisch. Für mich fest verankert mit dem Gastspiel von ‚genmobbing’ tags darauf in Heidelberg, wo das Stück für den Theaterpreis nominiert war. Ohne Beziehungen. Ohne Agentur. Ein Erfolg? Egal. Den andern Weg erkämpft und entdeckt zu haben, im Wissen selbst darauf verzichten zu können, das macht glücklich. Und frei.

Rhaban Straumann (Stohmann-Kauz)
Schauspieler und Satiriker, Olten

Mehr Kultur, weniger Vorschriften und Auflagen

Die Stadt Winterthur hat den jüngsten Stadtrat aller Zeiten und trotzdem ist der Beamtenapparat grau geblieben. So haben die Beamten letzthin z.B. im Kraftfeld und beim Hako zugeschlagen und «Missstände» aufgedeckt, an denen sich bisher niemand daran gestört hat. Die paragraphenreitenden Beamte kennen dabei wenig Toleranz und kein Augenmass für Verhältnismässigkeit bei der Auslegung der Vorschriften. Diese Gangart der Behörden haben in letzter Zeit viele Kulturlokale zu spüren gekriegt.

Auch im Wolferhaus, unserem eigenen Kleintheater in Sennhof, können wir ein Lied davon singen: Zu Beginn des Projektes versammelten sich 6 Beamte im Haus. Dabei gab es ein richtiges Auflagen-Bashing. Ein jeder versuchte den anderen mit möglichen Auflagen zu übertreffen. Nach 2 1/2 Jahren Wirren und einigen kostenintensiven, baulichen Massnahmen, haben wir nun diesen Sommer von der Stadt eine Bewilligung für max. 10 Veranstaltungen im Jahr für max 50 Zuschauer erhalten. Dabei werden für das sporadische Kleintheater die gleichen Normen angewendet, wie bei einer 600 plätzigen Disco, welche täglich im Betrieb ist. Hätte unser Hausbesitzer nicht grosszügig einen grossen Teil der Kosten der baulichen Massnahmen von rund Fr. 25’000.- übernommen, hätten wir das Theater diesen Sommer wieder schliessen müssen. Denn, neben den hohen Auflagen hat die Stadt dazu auch zwei Gesuche für einen minimalen Projektbeitrag fürs Theater abgelehnt…

Das nenne ich nicht Kulturförderung sondern Kultur-Verhinderung! Es ist schade, wenn unverhältnismässige Auflagen Kulturlokale übermässig belasten und behindern. Es wäre erfreulich, wenn z.B. das Kultursekretariat bei solchen Problemfällen die Koordination unter den Amtsstellen, auf der Suche nach verhältnismässigen Lösungen übernehmen würde. Darum, lieber Stadtrat – die Weihnachtszeit naht bereits – schenkt euren Beamten ende Jahr als Boni etwas mehr gesunden Menschenverstand!

David Baumgartner
(Kolumne Winterthurer Stadtanzeiger, 24.9.13)

 

Chaplins «The Kid» ohne Live-Orchester

Am 23. Juni war ein nostalgisches Kino in Rikon geplant. Das Tösstaler Kammerorchster plante den Chaplin-Film «The Kid» mit einer eigens geschriebenen Musik live zu begleiten. Doch kurzfristig kam es leider anders.

chaplin
Aufgrund rechtlicher Umstände welche sehr kurzfristig und unverhofft aufgetaucht sind, müssen wir leider eine Programmänderung vornehmen. Das über ein Jahr geplante und entwickelte Projekt «The Kid & Tösstaler Kammerorchester» nahm eine unerwartete Wendung. Das Tösstaler Kammerorchester wird Chaplins «The Kid» nicht live begleiten, sondern umrahmen. Das Wanderkino hat vom Verleiher die Rechte für «The Kid» eingeholt und schriftlich eine Bestätigung für vier Vorstellungen erhalten. Mündlich wurde uns versichert, dass auch ein Orchester mit angepasster, neuer Musik dazu spielen kann, (wie es heutzutage bei vielen anderen Filmen auch gemacht wird). Mit grosser Freude über diese Möglichkeit und mit viel Herzblut machten wir uns ans Werk. Das Orchester erhielt von Ihrem Dirigenten neu arrangierte Noten und sie machten sich an die Arbeit mit dem Ziel, dem Film gerecht zu werden und dem Publikum einen unterhaltsamen und berührenden Abend zu schenken. Zwölf Tage vor der Uraufführung meldete sich ein uns bislang unbekannter Rechteinhaber, der die Schweizer Vorführrechte mit Orchester vom Weltverleiher in Paris hat. Eine Einigung zu finden wurde schnell hinfällig, da es verboten sei, den Film ohne Originalnoten zu spielen. (Was auch dem Filmverleiher in der Schweiz unbekannt war.) Die Rechte für diese Noten müssten wiederum an einem anderen Ort eingekauft werden. Im Weiteren verfügt das Tösstaler Kammerorchester gar nicht über die Möglichkeiten alle Instrumente abzudecken welche zur Originalinstrumentierung benötigt würden. Deshalb wurde auch eine neue Musik zum Film geschrieben. Nicht nur wir hatten einige schlaflose Nächte, viele Telefonate und Bemühungen. Wohl auch der Verleiher, welcher vergeblich seine Beziehungen zum Weltvertrieb in Paris spielen liess. Er blieb leider erfolglos bei seinem Bestreben eine Ausnahmeregelung zu erwirken. Vor rund einem Jahr hat er uns die Rechte mit bestem Wissen und Gewissen zugesichert. Bei unseren Nachforschungen kamen viele kleine Geschichten zum Vorschein, welche einen fahlen Nachgeschmack hinterlassen. So wurden in diesem Zusammenhang offenbar bereits bei «kleineren» Verstössen Millionenklagen gesprochen und durchgesetzt. Wie man nachlesen kann, hat bereits Chaplin selbst vieles unternommen um seine Rechte geschickt abzusichern. Dem Tösstaler Kammerorchester, dem Wanderkino und nicht zuletzt den Veranstaltern welche sich auf den Anlass freuten und teilweise bereits Werbung gedruckt haben, entstehen schmerzhafte finanzielle Einbussen. Das Traurige dabei ist einmal mehr, wie das Wirken von innovativen Kulturschaffenden von der riesigen kommerziellen Rechtsmaschinerie ausgebremst und wie in diesem Fall gar verhindert wird. Schade für das Publikum! In der Gegenwart der weltumspannenden Digitalisierung ist es immer schwieriger an bezahlbare Kopien von alten Filmen zu kommen. Wer die Rechte an den Werken hat, ist oft schleierhaft und nur mit grossem Aufwand herauszufinden. Wenn man die Filme nicht ab DVD oder BlueRay abspielen möchte, sondern dem Publikum das Erlebnis einer Filmprojektion in ursprünglicher Form möglich machen möchte, wird es doppelt schwierig. Entweder man hat staatliche oder andere Subventionen und kann finanziell aus dem Vollen schöpfen oder man versucht Nischen zu finden. Was bleibt, ist eine sehr beschränkte Filmauswahl. Dennoch bleiben wir bestrebt und guter Dinge daran die aussterbende analoge Filmprojektion da und dort dem Publikum zu erhalten und so eine alternative zum «Beamerkino» zu bieten. Die Erfahrung zeigt, dass dies geschätzt wird und immer wieder verblüffte Zuschauerinnen und Zuschauer hinterlässt.

«Wenn der Projektor rattert, das Licht sich den Weg durch die Dunkelheit auf die Leinwand bahnt, um dort knisternd die grossen und kleinen Geschichten des Lebens zu erzählen, dann steht die Welt still!»

Manuel Lindt, Wanderkino
http://wanderkino.ch

Sparübung bei der Kultur

Zur Zeit ist Winterthur eine Diskussion über die Kürzung der Kulturförderung im Gange. Dieses ist grundsätzlich auch gut so. Trotzdem darf die Diskussion nicht nur beim Geld stehen bleiben.

Kultur ist ein nachhaltiges Grundnahrungsmittel und ein wichtiger Wirtschaftszweig. Wirtschaft und Kultur hat viele Gemeinsamkeiten. Trotzdem ist Kultur mehr als ein «Shaerholder Value». Dabei wird die Kultur- und Unterhaltungsbranche wirtschaftlich sehr unterschätzt. Sie bietet mehr Arbeitsplätze an und macht mehr Umsatz als die nationale Uhrenindustrie! Kultur bringt Menschen in die Stadt und generiert eine beträchtliche Wertschöpfung, Geld also, das wieder zurück in die Stadtkasse fliesst.

Winterthur hat ein grosses Angebot an kulturellen Veranstaltungen und darf sich zur Recht auch Kulturstadt nennen. Viele beneiden diese vielfältige und lebendige Kultur-Landschaft. Kultur ist Lebensqualität, dem man Sorge tragen muss. Hinter der Kultur stehen viele Menschen und Organisationen, die mit viel ehrenamtlicher Arbeit “selbstausbeutend“ arbeiten.

Was ist Kultur, was sollte gefördert werden? Es ist doch wie bei der Landwirtschaft: der einte liebt Gemüse, der andere Milchprodukte und wieder andere mögen viel Fleisch. Trotzdem werden die Landwirtschaftlichen Subventionen nicht nach den persönlichen Vorlieben vergeben.

Die Gesellschaft wird immer heterogener, das Kulturangebot ebenso. Die Vielfalt ist der Grundstein der Kultur. Leuchttürme ragen zwar heraus, werden aber von einer grossen Masse getragen. Ohne mutige Innovationen, werden die Säle der Kultur bald leer bleiben und die Leuchttürme verfallen.

Die heutige Kultur braucht einen höheren Stellenwert und Akzeptanz. Und gerade hier ist die Städtische Kulturförderung wichtig. Falls nun gedankenlos mit dem Rotstift die Budgets der Kultursubventionen und der Projektbeiträge gestrichen werden steht diese Vielfältigkeit auf dem Spiel. Der Aufschwung beginnt im Kopf – und in der Kultur!

David Baumgartner
31.5.13

Kabarett-Preis Cornichon 2013 für Knuth und Tucek

Der Schweizer Kabarett-Preis Cornichon 2013 geht an Knuth und Tucek. Damit werden anlässlich der 26. Oltner Kabarett- Tage 2013 (22. Mai bis 1. Juni) zwei Überfliegerinnen der Schweizer Kabarett-Szene geehrt, die jeden Saal zum Kochen bringen: mit einer einmaligen Mixtur aus intelligentem Witz, gnadenloser Respektlosigkeit und hoher Musikalität.

Knuth und TucekKnuth und Tucek nehmen die Realsatire der Weltpolitik und die kleinen Satiren des Alltags und mischen das Ganze zu einem unverschämten, hochmusikalischen, explosiven Cocktail. „Sich ihrer geballten Bühnenpräsenz zu entziehen, grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit. Begeisterung und Spielfreude sprudeln nur so aus ihnen heraus“, schreiben die Oltner Kabarett-Tage. „Durch die Auszeichnung mit dem Schweizer Kabarett-Preis Cornichon würdigen wir ihr kreatives und kritisches Schaffen. Knuth und Tucek überzeugen mit einer einmaligen Mixtur aus intelligentem Witz, gnadenloser Respektlosigkeit und hoher Musikalität. Mal elegant, dann wieder bitterbös bringen sie ihre Gesellschaftskritik an. “ Oder – wie es ein Mitglied des Programmteams pointiert formulierte: „Knuth und Tucek singen einem den Sessel der bürgerlichen Zufriedenheit förmlich unter dem Hintern weg

Mit ihren Programmen begeistern Knuth und Tucek eine stetig wachsende Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern. „Was sie so sympathisch macht, ist, dass sie sich trotz ihres Erfolges nicht zu schade sind, auch kleinste Bühnen zu bespielen, und dass sie immer offen sind für neue Ideen der Veranstalter“, betont Christa Hirschi, künstlerische Leiterin der Oltner Kabarett-Tage.

Wortgewaltiger Sarkasmus

Angefangen hat alles mit einer Zürcher Produktion, die wegen Geldmangels ins Wasser fiel. Olga Tucek war als Musikerin engagiert, Nicole Knuth als Schauspielerin. Ein Projekt ging bachab, ein Duo entstand. Seit 2004 touren die beiden Künstlerinnen, bewehrt mit scharfen Worten, heftigen Stimmen und einem Akkordeon durch die Kleinkunsttheater im deutschen Sprachraum und haben dabei schon die Teufel des 21. Jahrhunderts an die Wand gemalt: Waffenlobbyisten und Weltfriedensaktivisten, Konvertiten und pädophile Priester, Männer mit Bärten und Frauen in Offroadern – niemand ist vor ihrem wortgewaltigen Sarkasmus und rockigen Akkordeon sicher.

Zwischen Donau und Goldküste

Nicole Knuth und Olga Tucek sind beide im Milieu von Kultur- und Kunstschaffen aufgewachsen: Nicole Knuth, als Enkelin von Gustav Knuth, Tochter von Klaus Knuth und Hannelore Fischer sowie Grossnichte von O.W. Fischer, pendelte zwischen Zürcher Goldküste und Wien. Sie bildete sich zunächst zur Schauspielerin aus. Olga Tucek, geboren und aufgewachsen in Zürich, Leimbach, umzingelt von tschechischer Verwandtschaft und dem Lifestyle der Donaumonarchie, trat das Erbe der Mutter an und wurde Sängerin.

http://www.kabarett.ch
http://www.knuthundtucek.ch

Eine Empörungswelle der Künstler auf Facebook

Am 19.02.2013 ging eine neue Künstler-Website bei Facebook online. Hier diskutieren Künstlerinnen und Künstler aus allen möglichen Sparten über ihre unmöglichen Gagenangebote und deren traurige Erlebnisse. Die Seite scheint einen Nerv getroffen zu haben. Innerhalb weniger Tage schossen die Likes in die Höhe und liegen bei nahezu 3.000 Usern nach nicht einmal zwei Wochen. Sie lautet: Die traurigsten & unverschämtesten Künstler-Gagen & Auditionerlebnisse. Auch wir unterstützen diese Seite ausdrücklich!

Die Empörungswelle der Künstler auf Facebook rollt weiter!

“Tausende Künstler proben den Aufstand: Auf einer Facebook-Seitebeklagen sie sich über miese Gagen, unregelmäßige Arbeitszeiten und unfaire Auftraggeber. Tausende Beispiele von Sängern, Musikern, Tänzern und Autoren sind so schon zusammengekommen.” Hier der gesamte Artikel in der WAZ.

Die neue Sparkultur

Ende Jahr hat eine Mehrheit im Gemeinderat die Ausgaben im Budget 2013 mit dem Rasenmäher pauschal um 5,5 Millionen reduziert. Dabei sind konkrete Angaben, wo dass diese Summe gespart werden sollte ausgeblieben. Dies zeugt nicht für Verantwortung gegenüber der Stadt, aber auch nicht gegenüber der Bevölkerung und notabene dem Stimmbürger. Der Schwarze Peter bleibt dem Stadtrat überlassen. Dieser hat nun bereits ein paar Projekte zurück gestellt.

Leidtragend an den Sparübungen werden wohl schlussendlich auch die Kleinen in der Kultur. Bereits in den letzten Jahren hat sich hier der Verteilschlüssel vorwiegend zu den etablierten Institutionen, zurück zur «toten» Kultur von gestern und vorgestern verschoben. Wer laut jammert kommt auf Kosten der anderen eher zum Ziel. Gerade bei der projektorientierten Kulturförderung ist dies gut zu beobachten. In den letzter Zeit wurden diverse, eher symbolische Unterstützungsbeiträge gestrichen oder es wurden Anfragen mit faden Ausreden abgelehnt. Der Topf für die Projektbeiträge wird Jahr für Jahr magerer. Mit der aktuellen Budgetstreichung ist wohl gerade dieser Topf am stärksten Betroffen. Die frische und aktuelle Kultur darf sich mit den Brotsamen begnügen. Damit steht die Vielfältigkeit und Zukunft der Kulturstadt auf dem Spiel.
Diese Tendenzen zeigen, dass die letztjährige Gründung der Kulturlobby höchst notwendig war. Das Ziel der Kulturlobby ist einerseits der gemeinsame Informationsaustausch und das vermitteln von kulturpolitischen Anliegen gegenüber Politik und Wirtschaft. Ich erhoffe mir damit mehr Solidarität untereinander, mehr gemeinsame Aktionen, und weniger Einzelgänger. So steht z.B. bald die Kultursubventionsrunde an. Wenn nun jede Institution nur für sich schaut, wird es nur Verlierer geben – und die Krümel für die Projektbeiträge noch dürftiger.

 (David Baumgartner, Kolumne Winterthurer Stadtanzeiger, 22.1.13)