Eine kleine Chronologie des Humors

Der ganze Saal lacht. Das ganze Zweieinhalbhundert. So fühlt es sich an. Manche schmunzeln vielleicht nur. Das war Anfang Februar, die Reaktion ungebremst, als wir frotzelten, das Bier sei vom Wirt offeriert. Pause. «Aber nur das Corona.» Covid-19 war schon da, jedoch noch weit weg. Was betrifft uns China? Ein naiver, in Wellen über das Land wabernder Gedanke. Ganz ähnlich die Atmosphäre anlässlich der zweiten Ausgabe des Jahreskonzerts der Stadtmusik Huttwil. Vierzehn Tage danach. Derselbe Ort und Tag, dieselbe Zeit, anderes Datum, identische Moderatoren, sprich Strohmann-Kauz. Noch gab es die erschreckend schrecklichen Bilder aus Europa nicht. Bilder von Konvois mit Militärlastwagen, von Lazaretten und Intensivstationen. Leere Strassenzüge in Innenstädten. Das sollte sich ändern. Die Halbwertzeit von Pointen verkürzte sich mit der Beschleunigung der Massnahmen gegen die Pandemie.

Ende Februar realisierten wir, dass Sprüche mit Corona nicht mehr ziehen. Schluss mit lustig. Zudem fehlte die Lust, darüber zu scherzen. Aussen vor lassen wollten wir es dennoch nicht und suchten nach subtileren Möglichkeiten auf der Bühne. Das Öffnen der imaginären Tür bspw. geschah fortan mit Unterarm. Erst warnten sich die Figuren noch: «Achtung, nit mit de Häng!»; bald spürten wir, gezielte Handlungen wirkten stärker als Worte. Folglich war die Umarmung kurz vor Kontakt abgebrochen und die Begrüssung erfolgte mit Ellbogen. Ein begrüssenswerter Nebeneffekt der Krise. Privat und beruflich. Das bedenken- und wahllose Umarmen und Küssen wich Respekt. Auf der Bühne wirkt das Spiel schlicht stärker, wenn mit der Distanz gespielt, wenn nicht beliebig berührt wird, wird es berührender. Ist bedeutend schwieriger, gibt jedoch der Berührung mehr Bedeutung.

Schliesslich geschah, was nicht geschehen sollte. Weder zu Krisenzeiten noch in guten Tagen. Überdruss nahm überhand. Auf einmal sollte nicht mehr über Corona und die dadurch ausgelöste Krise gesprochen werden. Der Lockdown schloss nicht nur die Bühnen. Nur, lässt sich ausklammern, was derart dominant ist? Für ein sorgloses Leben? Schliesst sich das gegenseitig aus? Ist es so, dass wer nicht über Sorgen redet, zwangsläufig ein sorgloses Leben führt? Oder könnte es sein, dass wenn man nicht drüber spricht, die Sorgen irgendeinmal derart gross sind, dass ein sorgloses Leben nicht mehr möglich ist?

Es wurde Mai, die Situation änderte sich erneut. Die Satire bekam Futter durch obskure Versammlungen auf der Strasse. Verschwörungstheorien erquickten die Herzen der Satirikerinnen und Satiriker im selben Masse, wie sie sie beengten. Schön auf den Punkt brachte das der österreichische Berufskollege Josef Hader: «Wussten Sie, dass alle 100 Jahre die Bevölkerung ausgewechselt wird?» Lohnt es sich, darüber nachzudenken?

PS: Das Jahreskonzert fand im Städtlisaal Hotel Kleiner Prinz statt. Ehemals Restaurant zum Mohrenkönig. Motto des Anlasses: Zeitlos. Nichts ist zeitlos. Nichts ist ohne Wirkung. Auch wenn wir es uns zuweilen andersrum wünschen.

VON RHABAN STRAUMANN
Kolumne Solothurner Zeitung, 29.6.2020

Im grossen Kanton

Essen kann man in Deutschland echt günstig. Und einkaufen liesse es sich vermutlich ebenso. Auch Kultur geniessen lässt es sich mit schmalem Portemonnaie. Für Schweizer Verhältnisse. Das Ticket im Kleintheater kriegt man für 18 Euro. Grossartig. Geht es um die Gage, wird offensichtlich weshalb. «Ich würde Strohmann-Kauz gerne wieder einladen», sagt uns der Veranstalter nach dem Gastspiel in Freiburg, «aber ich habe ein schlechtes Gewissen. Der Gage wegen.» Das brauche er nicht zu haben, sagen wir. Erstens hätten wir gewusst, worauf wir uns einliessen. Zweitens könnten wir uns dieses Abenteuer leisten. Wir spielten in der Schweiz sehr viel und verdienten dabei genug. «Dann ist die Deutschlandtour für euch das Hobby», grinst der kulturelle Hausherr. Ein schönes Hobby, denken wir. Verkehrte Welt. Während deutsche Veranstalter uns gegenüber ein schlechtes Gewissen haben, werden wir in der Schweiz stets noch gefragt, wovon wir leben würden. Oder ob wir davon leben könnten. Wir tun es damit und trotz solcher Fragen. Daran wird sich so schnell vermutlich nichts ändern. Dazu müssten die Medien anders mitspielen. Neugieriger. Mutiger. Ansonsten sind die Unterschiede dies- und jenseits der Grenze dünn. Ähnlich der Humor, die Lacher. Da die Reaktion vereinzelt schneller, stärker, betroffener. Hier zurückhaltender. Manchmal umgekehrt. Je nach Szene, je nach Pointe. Das deutsche Publikum zeigt sich einzig zwischen den Szenen applausfreudiger. Kurz, Deutschland hat gerufen und wir nahmen die Herausforderung lustvoll an. Dabei lernen wir viel. Spielend. Über uns. Über Deutschland. Und die Schweiz. Vor allem aber haben wir endlich wieder ein Hobby.

von Rhaban Straumann
Schauspieler, Satiriker und Autor aus Olten
Kolumne Stadtanzeiger Olten, Feb. 2019

 

Wohlfahrtskünstler

Tatsächlich. Da nannte mich wer Wohlfahrtskünstler. Wieso? So unreflektiert? Kennt er meine finanzielle Situation? Wer das war, ist nicht relevant. Kenne ihn kaum. Weniger offen scheint, was gemeint ist. Ein Wohlfahrtskünstler profitiert direkt von Stadt, Staat oder Kanton. Das tun viele. Vor allem Nichtkünstler. Indirekt noch mehr. Klassiker sind Spitäler, Landwirtschaft, Gastronomie und Buchszene, Medien, Finanzbranche und Schnapsbrenner, Baugewerbe, Tourismus und Sport. Profitiert wird via Subventionen, tieferer Mehrwertsteuer oder mit verbilligter Distribution. Es gibt Direktzahlungen, Staatsgarantien, Rettungsmassnahmen und nicht gedeckte Sicherheitskosten, Starthilfen und Exportrisikoversicherungen. Stetig tropfen Aufträge der öffentlichen Hand, ebenso beliebt ist das Mandat. Überall zahlt der Staat. Auch für Löhne und Politikerspesen, Verwaltungsräte in Bundesbetrieben und deren Chefs. Hinzu kommen Profiteure von gesetzlich vorgeschriebenen Angeboten wie die Grundversicherung. Populär auch Schutzzölle und Steuerdeals. Eine uferlose Liste. Sehr umfassend, finde ich. Deswegen wen als Wohlfahrtssportlerin zu bezeichnen, fände ich unangebracht. Auch den Wohlfahrtshotelier. Oder das Wohlfahrtsbauunternehmen. Den Wohlfahrtsmillionär. Rechnet man Glück und Vorzüge, welche uns das Land beschert, dazu, trifft es fast alle. Gut. Vielleicht gibt es ihn, den Wohlfahrtskünstler. Doch nicht in Olten. Kriegte eine Person alles Geld, womit die Stadt jährlich Projekte einer Szene fördern kann, wo Schutz und Klauseln kaum, Dumpinglöhne und harte Arbeit sehr wohl eine Rolle spielen, entspräche das insgesamt zirka einem halben Jahresmindestlohn.

von Rhaban Straumann
Schauspieler, Satiriker und Autor aus Olten
Sep.t 2018

 

Start zum Kulturherbst

Der Sommer ist vorbei, die Grillabende werden ungemütlich. Es ist wieder Zeit für die Indoor-Kultur. Der Kulturherbst kann starten! Zum 10. Mal haben am vergangenen Samstag die Winterthurer Theater mit der KleinKunsRallye gemeinsam die Saisoneröffnung gefeiert und auf ihre kommende Spielzeit aufmerksam gemacht. Die Zusammenarbeit der Bühnen funktioniert seit Jahren gut. Am «Runden Tisch», treffen sich zweimal im Jahr bis zu 50 Winterthurer Bühnenschaffende, um sich über ihre Häuser und ihre Arbeit auszutauschen. Die Jubiläumsausgabe bietete den Rallyeteilnehmer viefältige Kleinkunsthäppchen an und gab die Möglichkeit einen Blick ins Innenleben der Bühnen zu werfen.

Diesen Samstag steht die Kulturnacht bevor, eine gemeinsame Aktion der IG Kunstsammlungen, ein Zusammenschluss der vorwiegend musealen Kulturinstitutionen. Mit einem vielfältigen Programm und Gästen aus allen Sparten öffnen 15 Kulturinstitutionen ihre Türen und laden zu einer abwechslungsreichen Entdeckungstour ein. Sie zeigen die aktuellen Ausstellungen und präsentieren dazu Darbietungen mit Musik, Film, Slam und weiteren spannenden Aktionen. Es zeigt einmal mehr: Winterthur ist reich an Kultur und die Institutionen kooperieren gut zusammen. Lassen auch Sie sich verzaubern und überraschen von dieser Vielfalt.

David Baumgartner
(Kolumne, Winterthurer Stadtanzeiger, 21.9.17)

Veteranentreffen im Theater

Letzthin war ich wiedermal in einem grossen klassischen Theater und war dabei  doch etwas über das grosszählig, weiss häuptige Publikum erstaunt. Es war wie an einem Veteranentreffen. Rolatoren und Gehstöcke säumten den Eingang. Ich fühlte mich plötzlich unglaublich jugendlich. Dabei erinnerte ich mich wieder an einen Spruch eines mir befreundeten Liedermachers, der meinte er spiele wohl in Zukunft besser direkt im Altersheim statt im Theater.
Ist das Theater überaltert, stirbt ihm bald das Publikum weg? Dazu habe ich im Internet etwas herum gestöbert und festgestellt, dass es so schlimm nicht sein kann, denn schon vor 50 Jahren wurde das Theater aus diesen Gründen totgesagt. Eine Umfrage im 2008 hat ergeben, dass doch 42% der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr ins Theater gehen. Eine andere Umfrage besagt allerdings, dass es rund 10% sind. Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen.
Das klassische Theater kann verstaubt sein. Es gibt aber immer wieder frische Strömungen, welche dann vorerst junges Publikum anziehen und das Theater so weiterentwickelt.
Solange es Menschen gibt, die selbst denken, wird es auch das Theater geben. Das Theater kann ein lebendiges kulturelles Zentrum für alle Generationen sein. Es öffnet neue Denk- und Emotionsräume und setzt einen starken Gegenpol zum erlebten Alltag und zur heutigen digitalen Konkurrenz. Ich bin froh, dass es Winterthur trotz Sparmassnahmen geschafft hat, die Theatermöglichkeiten für Kinder und Jugendliche aufrecht zu erhalten, ja gar mit dem «augenauf!-Festival» noch zu verstärken. Das Theater wird weiterleben! Wann gehen sie wiedermal ins Theater?

David Baumgartner
Kolumne Winterthur Stadtanzeiger, 1.6.16

Wanderkino in Zukunft

Hochverehrte Wanderkino-Freundinnen und Freunde.

Wir durften im Verlauf dieses Jahres wieder wunderbare Abende mitgestalten. Nun ist der Herbst da und somit die Freiluftkinos bereits wieder Geschichte. Ab sofort kraxelt hier und dort unser neustes Werk, der Dracula-Klassiker «Nosferatu» mit neuer Vertonung aus dem Sarg. In der Grünau spielten wir das erste mal vor Publikum. Es war eine grosse Freude für alle Beteiligten. Wir freuen uns auf weitere Auftritte und hoffen auf interessierte Veranstalter die einen Hauch grusliger Nostalgie zu sich holen möchten.

Das Wanderkino wird sich in Zukunft vermehrt auf seine Ursprungsidee konzentrieren. Zusammen mit den Veranstaltern präsentieren wir Stummfilme mit Livemusik und Klassiker der Filmgeschichte mit dem Schwerpunkt «Schweizerfilm». Nachdem sich in den vergangenen Jahren die Kinolandschaft sehr verändert hat, sehen wir darin eine wunderbare Nische für das Wanderkino. Wir verlangsamen das Tempo und verbinden die Vergangenheit mit der Gegenwart. Wir freuen uns, zusammen mit dem Publikum über das Licht welches vom analogen Projektor gebündelt durch den Filmstreifen hindurch, als lebendige Geschichte auf der Leinwand tanzt.

Zum nächsten Tanz laden wir an einem Geburtstagsfest im November (Privatanlass). Und dann freuen wir uns auf das legendäre Winterkino im Schöntal.

Manuel Lindt
Mr. Wanderkino
www.wanderkino.ch

 

Gemeinsamer Saisonstart

Zu Beginn seiner ersten Amtszeit forderte der Stadtpräsident von der Kultur eine grössere Zusammenarbeit untereinander. Dabei übersah er, dass gerade die Theaterschaffenden diese seit Jahren, z.B. mit dem Runden Tisch und der gemeinsamen Kleinkunstrallye, mit Erfolg praktizierten.

Zum Saisonauftakt fand diesen Samstag die 8. KleinKunstRallye und am gleichen Abend zum ersten Mal die Kulturnacht statt. Beide Veranstaltungen versuchten Brücken zu schlagen, ein gemeinsames Zeichen zu setzen und die Kultur sichtbar zu machen. Dabei wurde auch die kulturelle Vielfalt unserer Stadt aufgezeigt und der Fokus für einmal weg von den Finanzen hin zu der gut funktionierenden Kooperation der Kulturinstitutionen gelenkt. Dazu gab es für das Publikum die Möglichkeit Neues in kompakter Form zu Entdecken, für die Veranstalter Synergien zu nutzen und auf ihre kommende Saison aufmerksam zu machen.

Die KleinKunstRallye zeigte die gesamte Bandbreite des Winterthurer Theaterschaffens: In 3 Touren wurde das interessierte Publikum, auf einer Entdeckungsreise von Bühne zu Bühne geführt. Die Kulturnacht Winterthur lockte mit einem ebenso vielfältigen Programm zu einem Streifzug durch 13 verschiedene Kulturorte. Das Fazit des Tages: Die Kultur lebt und der Herbst und die Indoor-Saison kann beginnen. Und vielleicht schaffen es die Organisatoren der beiden Anlässe es nächstes Jahr zusätzlich, KleinKunstRallye und Kulturnacht besser zusammen zu vernetzen. Dafür müssten dann aber auch die Spar-Politiker der Kultur eine grössere Wertschätzung zeigen.

David Baumgartner

(Kolumne Winterthurer Stadtanzeiger, 15.9.15)

Teure Kultur

Kolumne von Rhaban Straumann und Matthais Kunz (Strohmann-Kauz)

S Du, Kauz, wir sollten vielleicht einmal Danke sagen.
K Weil die Sparmassnahmen die Kultur erreicht haben?
S Genau.
K Strohmann, spinnst du?!
S Sei ehrlich, Kultur hat doch eine riesige Anspruchshaltung gegenüber der öffentlichen Hand. Wie niemand sonst.
K Kennst du Kurzarbeit?
S Natürlich, also nicht persönlich. Wieso?
K Kurzarbeit ist vom Bund finanziert. Ebenso wie die Starthilfen für KMUs, die geheimen Steuerdeals mit den Grossen oder die Schweizerische Exportrisikoversicherung.
S Ja, aber da geht’s um…
K Oder die staatliche Medienförderung mit den Mehrwertsteuervergünstigungen und der verbilligten Distribution.
S Fertig? Oder hast du noch weitere Subventionen auf Lager?
K Sportförderung.
S Das wäre dann alles?
K Mal abgesehen von den immensen externen Kosten des Strassenverkehrs, die von der Allgemeinheit getragen werden.
S Peanuts! Und da geht’s um Arbeitsplätze. Aber ich vermute, sonst lebt niemand derart von Subventionen wie die Kulturbranche.
K Nein.
S Gut.
K Wobei, wenn die Atomstromproduzenten den GAU versichern müssten, den sie anrichten können und auch für Zwischen- und Endlagerung soviel einbezahlt hätten wie es kosten wird, wäre der Atomstrompreis schon lange dort, wo er hingehörte.
S Alles eine Frage der Lobby. „Seh ich dich im Strahlenmeer…“
K Unter uns gesagt: Subventioniert ist ja auch die ganze Bundesverwaltung mit dem garantierten jährlichen Lohnanstieg.
S Ja auch das sollen Arbeitsplätze sein. Sonst aber lebt bestimmt niemand so von Subventionen wie die K…
K Vielleicht noch die Hotellerie, die seit 1995, also fast 20 Jahre von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz profitiert. Der wurde dem Volk damals als kurzfristige Massnahme verkauft und kostet die Steuerzahler bisher fast 3 Milliarden Franken.
S Da geht’s halt um Arbeitsplätze!
K Staatliche Unterstützung haben die auch noch von der Tourismusförderung, der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit und Schweiz Tourismus.
S Wie gesagt: Arbeitsplätze.
K Oder die Landwirtschaft: 5 Milliarden pro Jahr! Davon gehen 1,5 Milliarden für Futtermittel direkt ins Ausland.
S Ebenfalls wichtige Arbeitsplätze.
K Anderes Beispiel: Die Schnapsbrenner mit der Schnapssteuerermässigung und den Fördermassnahmen für den Marktauftritt.
S Wir wollen Vollbeschäftigung.
K Für die Banker haben wir noch die Staatsgarantien, falls die wieder mal überborden sollten.
S Hab gehört, auch da würde gearbeitet.
K Sind nicht alle Bauaufträge der Öffentlichen Hand ein grosses Konjunkturpaket?
S Ja und vor allem Arbeitsplätze.
K Jetzt hör mal auf mit diesem Totschlagargument. Auch in der Kultur sind es Arbeitsplätze.
S Ach, hör doch auf! Ist doch alles freiwillig.
K 50’000 bis 200’000 Menschen arbeiten in der Kulturbranche, je nach Statistik.
S Echt? Das sind ja deutlich mehr als die 10’000 Beschäftigten in der Schweizer Rüstungsbrache.
K Richtig.
S Lustig, dass immer die mit den geschützten Arbeitsplätzen…
K Du meinst die in den unterstützten Arbeitsmärkten…
S Dass genau die den freien Markt in der Kultur fordern.
K Frei ist nur, wer das sagt, was die Leute nicht hören wollen.
S Aber man schmückt sich gerne mit Kultur.
K Und vergibt Preise.
S Ist wie Brot und Spiele.
K Selbst die wurden vom Staat finanziert.
S Was?
K Brot und Spiele.
S Dann zählen plötzlich nur noch die Einschlafquoten. Schöner, freier Markt.
K Schöne Illusion. – Du wolltest was sagen?
S Danke.

Die Kolumne ist im Dezember 2014 im Nebelspalter erschienen.
http://www.strohmann-kauz.ch

Kulturhaus Langenthal

von Matthias Kunz

Wer behauptet, Langenthal habe diverse Räume für Kleinkunst, liegt falsch. Und zwar richtig falsch. Denn Langenthal hat keine Kleinkunstbühne. Da können die Gegner der Stadttheatervorlage noch lange das Gegenteil behaupten. Das katholische Kirchgemeindehaus ist keine Kleinkunstbühne. Das Forum Geissberg ist schön renoviert, hat einen neuen Namen, ist aber weiterhin keine. Ebenso wenig das Zwinglihaus. Der Jugendtreff steht bekanntlich vor allemder Jugend zur Verfügung, das Dreilinden ist ein Eventtempel, und die geschlossene Mühle ist geschlossen.

An diesen und anderen Orten finden Anlässe statt, keine Frage, aber eine entsprechende Infrastruktur ist nirgends vorhanden. Es fehlt an einer Theaterbeleuchtung, an Vorhängen, Tontechnik oder einer Heizung. Als Beispiel sei hier nur das renovierte Forum Geissberg angefügt. Dort befindet sich die Steuerung für den Ton fest verbaut im Hinterbühnenraum. Der Tontechniker wird die Lautstärke im Saal nie hören.

Kleinkunst hat meist einen geringeren technischen Aufwand, aber nicht keinen, und sie lebt von der Atmosphäre des kleinen Saals und wird nicht für Mehrzweckhallen produziert.

Doch die Abstimmungsvorlage von der Kleinkunst abhängig zumachen, ist zu klein gedacht. Wer die Abstimmungsbotschaft liest, erfährt anderes: «Der neue Veranstaltungsraum wird als multifunktionaler Raumkonzipiert, der sowohl als Bühne als auch alsKurs-, Probe- und Arbeitsraumgenutztwerden kann.» Zudem hängt dieWirtschaftlichkeit des ganzen Hauses massgeblich vom zusätzlichen Raum ab. Genau dies wird ja immer wieder von der Kultur gefordert: Eigenwirtschaftlichkeit. Dies zu verschweigen, entspricht wahrscheinlich taktischen Motiven, auch die Behauptung, der Raum werde nur für zehn Veranstaltungen jährlich benützt.

Dass die Vorlage so schnell durchs Parlament kam, legt die Vermutung nahe, dass hier versucht wird, die Stadttheatersanierung gegen das Defizit der Budgetvorlage auszuspielen.

Die Konsequenzen einer allfälligen Ablehnungmuten schon fast satirisch an. «Gemäss den Angaben der kantonalen Gebäudeversicherung müsste bei allen Vorstellungen mit mehr als 200 Besuchenden (ca. 55 pro Saison) ein spezielles Sicherheitsdispositiv erstellt werden, bestehend aus der Anwesenheit von neun Feuerwehrleuten und von ausgelegten Schläuchen im Stadttheater» (O-Ton Abstimmungsbotschaft). Ein wahrlich beruhigender Anblick. Und nicht ganz gratis.

Verglichenmit ähnlichen Kulturhäusern in der Schweiz, ist diese Sanierung kein Luxus, sondern dringend nötig und vernünftig. Klar, viele Langenthaler gehen nie ins Theater. Aber viele gehen nie auf die Schlöf, in die Badi, in eine Turnhalle, ins Spital oder benützen nie eine Autobahn oder einen öffentlichen Bus. Doch ein Haus, das 20000 Besucher pro Jahr  anzieht, ist als kultureller und wirtschaftlicher Standortfaktor wichtig. Denken sie nur an die generierten Hotelübernachtungen, Inserate und Nachtessen. Dieses Kulturhaus gehört zu unserer Grundversorgung!

 

Matthias Kunz, aufgewachsen in Roggwil, lebt in Bern.

Fliegende Kuh & Börsenglück

Von Rhaban Straumann (www.rhabanstraumann.ch)

Manchmal ist Zeit, sich zu Glück, Pech und Zufall Gedanken zu machen. Der November eignet sich gut. Vor einem halben Jahr, Mitte April war die grosse Künstlerbörse der Schweizer Kleinkunstszene. Schaukasten der Eitelkeiten, Seiltanz zwischen Grosszügigkeit und Konkurrenz sowie Brutkasten des Erfolgs. Dort bewährt sich der richtige Mix des Cocktails: Talent, Können und Riecher, Hartnäckigkeit, Beziehungen und Glück. Sowie Multiplikatoren, die einen allfälligen Erfolg kommunizieren. Wollen.

Doch macht nicht erst Erfolg erst richtig erfolgreich? Bis die Gage derart unartig hoch wird, damit eine Handvoll Auftritte jährlich genügen würde? Oder reicht es, wenn die Leidenschaft zur Existenz wird? Welche Rolle spielen Fernsehen und Radio? Ist das Welt bewegend? Relevant? Kaum.

Wenn ich Erfolg höre, sehe ich eine fliegende Kuh. Das war 2010, zwischen Gastspielen in Konolfingen und Heidelberg. Beim Künstlerpech ist es der erste Auftritt an besagter Börse in Thun. 2004. Stück und Ensemble hiessen ‚Amor, Venus & Koller’. Das Künstlerdasein war eines ohne Agentur und Beziehungen, gänzlich unbekannt. Gezeigt wurden 20 Minuten. Ein begehrtes Zeitfenster. Jährlich melden sich Hunderte Ensembles und Einzelkünstlerinnen zum Familienfest der Kulturvereine an. Zum Handkuss kamen heuer rund 80. Die Mehrheit der Kleinbühnen gestaltet ihren Programmkuchen aus dem Teig, welcher ihnen da präsentiert wird. Ein Riesenglück also, dort auftreten zu können.

Pech, dass das Stück, welches im Hirn eines Mannes spielte, pantomimisch anmoderiert wurde. Um halb vor Mitternacht. „Gut gespielt, nix verstanden“, war die Rückmeldung. Ein Tausendköpfiges Unisono. Von Folgeauftritten, die Idee der Börse, keine Rede. Trotzdem spielten wir uns 50 Mal. Auch in Zürich, Bern und für das Team des Kassensturz’. Erst zuletzt Daheim in Olten. Kleiner Erfolg, grosse Genugtuung. Künstler leben auch ohne Börse. Nur ist der Weg ein anderer. Steiniger. Steil und fordernd. Das Folgestück ‚monopoly’ wurde am Telefon von Veranstaltern mit „habe euch in Thun gesehen“ abgelehnt. Scheitern kann nachhaltig Weh tun.

Sieben Jahre hiernach war uns das Börsenglück erneut hold. Dazwischen liegen einige 100 Gastspiele, aufgelöste und neue Ensembles, jährlich zwei Anmeldungen mit neuen Programmen in Thun, endlich eine Agentur und schau her: Ein Doppelgastspiel. ‚Ges(t)ammelte Werke’ und ‚ungerdüre’. Schönes Glück, grosses Echo. Dumm nur, dass die Programme schier schon ausgespielt waren.

Heuer, drei Jahre und nochmals mehrere 100 Gastspiele später, die Agentur eine neue, hatten ‚Ruedi & Heinz’ ihren Börsenauftritt. Beziehungen? Gute Frage. Die Bessere lautet: Wer hat die Besseren? Wer darf jede neue Produktion präsentieren? Wer nie? Die dumme Frage: Ist das gerecht? Bestimmen tut die Auswahlkommission. Und zuvor die Vorauswahlkommission.

Der Auftritt von ‚Ruedi & Heinz’ war ein Erfolg. Nachhaltig. Wir können bis im Herbst 2015 davon zehren. Welch ein Glück! Derweil frage ich mich, wie viel Platz haben Land und Szene für Zufälle und denke an die Kuh, welche ich auf dem Heimweg von Konolfingen fliegen sah. Ein Betrunkener fuhr sie an. Zufall. Dumm und tragisch. Für mich fest verankert mit dem Gastspiel von ‚genmobbing’ tags darauf in Heidelberg, wo das Stück für den Theaterpreis nominiert war. Ohne Beziehungen. Ohne Agentur. Ein Erfolg? Egal. Den andern Weg erkämpft und entdeckt zu haben, im Wissen selbst darauf verzichten zu können, das macht glücklich. Und frei.

Rhaban Straumann (Stohmann-Kauz)
Schauspieler und Satiriker, Olten