Der ganze Saal lacht. Das ganze Zweieinhalbhundert. So fühlt es sich an. Manche schmunzeln vielleicht nur. Das war Anfang Februar, die Reaktion ungebremst, als wir frotzelten, das Bier sei vom Wirt offeriert. Pause. «Aber nur das Corona.» Covid-19 war schon da, jedoch noch weit weg. Was betrifft uns China? Ein naiver, in Wellen über das Land wabernder Gedanke. Ganz ähnlich die Atmosphäre anlässlich der zweiten Ausgabe des Jahreskonzerts der Stadtmusik Huttwil. Vierzehn Tage danach. Derselbe Ort und Tag, dieselbe Zeit, anderes Datum, identische Moderatoren, sprich Strohmann-Kauz. Noch gab es die erschreckend schrecklichen Bilder aus Europa nicht. Bilder von Konvois mit Militärlastwagen, von Lazaretten und Intensivstationen. Leere Strassenzüge in Innenstädten. Das sollte sich ändern. Die Halbwertzeit von Pointen verkürzte sich mit der Beschleunigung der Massnahmen gegen die Pandemie.
Ende Februar realisierten wir, dass Sprüche mit Corona nicht mehr ziehen. Schluss mit lustig. Zudem fehlte die Lust, darüber zu scherzen. Aussen vor lassen wollten wir es dennoch nicht und suchten nach subtileren Möglichkeiten auf der Bühne. Das Öffnen der imaginären Tür bspw. geschah fortan mit Unterarm. Erst warnten sich die Figuren noch: «Achtung, nit mit de Häng!»; bald spürten wir, gezielte Handlungen wirkten stärker als Worte. Folglich war die Umarmung kurz vor Kontakt abgebrochen und die Begrüssung erfolgte mit Ellbogen. Ein begrüssenswerter Nebeneffekt der Krise. Privat und beruflich. Das bedenken- und wahllose Umarmen und Küssen wich Respekt. Auf der Bühne wirkt das Spiel schlicht stärker, wenn mit der Distanz gespielt, wenn nicht beliebig berührt wird, wird es berührender. Ist bedeutend schwieriger, gibt jedoch der Berührung mehr Bedeutung.
Schliesslich geschah, was nicht geschehen sollte. Weder zu Krisenzeiten noch in guten Tagen. Überdruss nahm überhand. Auf einmal sollte nicht mehr über Corona und die dadurch ausgelöste Krise gesprochen werden. Der Lockdown schloss nicht nur die Bühnen. Nur, lässt sich ausklammern, was derart dominant ist? Für ein sorgloses Leben? Schliesst sich das gegenseitig aus? Ist es so, dass wer nicht über Sorgen redet, zwangsläufig ein sorgloses Leben führt? Oder könnte es sein, dass wenn man nicht drüber spricht, die Sorgen irgendeinmal derart gross sind, dass ein sorgloses Leben nicht mehr möglich ist?
Es wurde Mai, die Situation änderte sich erneut. Die Satire bekam Futter durch obskure Versammlungen auf der Strasse. Verschwörungstheorien erquickten die Herzen der Satirikerinnen und Satiriker im selben Masse, wie sie sie beengten. Schön auf den Punkt brachte das der österreichische Berufskollege Josef Hader: «Wussten Sie, dass alle 100 Jahre die Bevölkerung ausgewechselt wird?» Lohnt es sich, darüber nachzudenken?
PS: Das Jahreskonzert fand im Städtlisaal Hotel Kleiner Prinz statt. Ehemals Restaurant zum Mohrenkönig. Motto des Anlasses: Zeitlos. Nichts ist zeitlos. Nichts ist ohne Wirkung. Auch wenn wir es uns zuweilen andersrum wünschen.
VON RHABAN STRAUMANN
Kolumne Solothurner Zeitung, 29.6.2020