Kaum Filme unter Sternenhimmel in Winterthur

In kaum einem anderen Land gibt es so viele Open-Air-Kinos wie in der Schweiz. An rund 200 Orten kann man magische Filmnächte erleben. Nirgends ist Kino schöner als unter freiem Himmel, mit einer vielfältigen Gastronomie und Filmen, die Spass, Spannung und Unterhaltung garantieren. Der mit dunklen Wolken behangene Himmel erweitert die Filmszenerie, warme Sommerluft macht die Liebesszene noch romantischer, Kindergeschrei den Familienzank realistischer oder dann lassen Regentropfen den Streifen unvergesslich machen.
1985 fand auf dem Neumarkt während den Musikfestwochen ein Open-Air-Kino-Spektaktel statt. Es war eines der ersten in dieser Grösse in der Deutschen Schweiz. Danach belebte das Kino über den Gleisen oder das Kino am Pool das Sommerkino der Stadt. Beide gibt es unterdessen aus diversen Gründen nicht mehr. Dafür bleiben uns kleine aber feine Open-Airs wie das Kino auf dem Bäumli oder das Cinéma Solaire. Aber irgendwie vermisse ich halt schon so eine richtig grosse Leinwand unter Sternenhimmel, ergänzt mit einer dazu passenden Kulinarik. Dabei gäbe es doch so schöne Plätze dazu: Schloss Hegi, Teuchelweiher, Katharina Sulzer-Platz, Musikschulpark, Eulachpark oder auf der Wiese vor dem Museum am Römerholz… Aber, ach ja – die Anwohner wollen halt keinen Unterhaltungs-Lärm vor ihrer Haustüre…

David Baumgartner
(Kolumne Stadtanzeiger Winterthur, 3.8.17)

Wanderkino in Zukunft

Hochverehrte Wanderkino-Freundinnen und Freunde.

Wir durften im Verlauf dieses Jahres wieder wunderbare Abende mitgestalten. Nun ist der Herbst da und somit die Freiluftkinos bereits wieder Geschichte. Ab sofort kraxelt hier und dort unser neustes Werk, der Dracula-Klassiker «Nosferatu» mit neuer Vertonung aus dem Sarg. In der Grünau spielten wir das erste mal vor Publikum. Es war eine grosse Freude für alle Beteiligten. Wir freuen uns auf weitere Auftritte und hoffen auf interessierte Veranstalter die einen Hauch grusliger Nostalgie zu sich holen möchten.

Das Wanderkino wird sich in Zukunft vermehrt auf seine Ursprungsidee konzentrieren. Zusammen mit den Veranstaltern präsentieren wir Stummfilme mit Livemusik und Klassiker der Filmgeschichte mit dem Schwerpunkt «Schweizerfilm». Nachdem sich in den vergangenen Jahren die Kinolandschaft sehr verändert hat, sehen wir darin eine wunderbare Nische für das Wanderkino. Wir verlangsamen das Tempo und verbinden die Vergangenheit mit der Gegenwart. Wir freuen uns, zusammen mit dem Publikum über das Licht welches vom analogen Projektor gebündelt durch den Filmstreifen hindurch, als lebendige Geschichte auf der Leinwand tanzt.

Zum nächsten Tanz laden wir an einem Geburtstagsfest im November (Privatanlass). Und dann freuen wir uns auf das legendäre Winterkino im Schöntal.

Manuel Lindt
Mr. Wanderkino
www.wanderkino.ch

 

Chaplins «The Kid» ohne Live-Orchester

Am 23. Juni war ein nostalgisches Kino in Rikon geplant. Das Tösstaler Kammerorchster plante den Chaplin-Film «The Kid» mit einer eigens geschriebenen Musik live zu begleiten. Doch kurzfristig kam es leider anders.

chaplin
Aufgrund rechtlicher Umstände welche sehr kurzfristig und unverhofft aufgetaucht sind, müssen wir leider eine Programmänderung vornehmen. Das über ein Jahr geplante und entwickelte Projekt «The Kid & Tösstaler Kammerorchester» nahm eine unerwartete Wendung. Das Tösstaler Kammerorchester wird Chaplins «The Kid» nicht live begleiten, sondern umrahmen. Das Wanderkino hat vom Verleiher die Rechte für «The Kid» eingeholt und schriftlich eine Bestätigung für vier Vorstellungen erhalten. Mündlich wurde uns versichert, dass auch ein Orchester mit angepasster, neuer Musik dazu spielen kann, (wie es heutzutage bei vielen anderen Filmen auch gemacht wird). Mit grosser Freude über diese Möglichkeit und mit viel Herzblut machten wir uns ans Werk. Das Orchester erhielt von Ihrem Dirigenten neu arrangierte Noten und sie machten sich an die Arbeit mit dem Ziel, dem Film gerecht zu werden und dem Publikum einen unterhaltsamen und berührenden Abend zu schenken. Zwölf Tage vor der Uraufführung meldete sich ein uns bislang unbekannter Rechteinhaber, der die Schweizer Vorführrechte mit Orchester vom Weltverleiher in Paris hat. Eine Einigung zu finden wurde schnell hinfällig, da es verboten sei, den Film ohne Originalnoten zu spielen. (Was auch dem Filmverleiher in der Schweiz unbekannt war.) Die Rechte für diese Noten müssten wiederum an einem anderen Ort eingekauft werden. Im Weiteren verfügt das Tösstaler Kammerorchester gar nicht über die Möglichkeiten alle Instrumente abzudecken welche zur Originalinstrumentierung benötigt würden. Deshalb wurde auch eine neue Musik zum Film geschrieben. Nicht nur wir hatten einige schlaflose Nächte, viele Telefonate und Bemühungen. Wohl auch der Verleiher, welcher vergeblich seine Beziehungen zum Weltvertrieb in Paris spielen liess. Er blieb leider erfolglos bei seinem Bestreben eine Ausnahmeregelung zu erwirken. Vor rund einem Jahr hat er uns die Rechte mit bestem Wissen und Gewissen zugesichert. Bei unseren Nachforschungen kamen viele kleine Geschichten zum Vorschein, welche einen fahlen Nachgeschmack hinterlassen. So wurden in diesem Zusammenhang offenbar bereits bei «kleineren» Verstössen Millionenklagen gesprochen und durchgesetzt. Wie man nachlesen kann, hat bereits Chaplin selbst vieles unternommen um seine Rechte geschickt abzusichern. Dem Tösstaler Kammerorchester, dem Wanderkino und nicht zuletzt den Veranstaltern welche sich auf den Anlass freuten und teilweise bereits Werbung gedruckt haben, entstehen schmerzhafte finanzielle Einbussen. Das Traurige dabei ist einmal mehr, wie das Wirken von innovativen Kulturschaffenden von der riesigen kommerziellen Rechtsmaschinerie ausgebremst und wie in diesem Fall gar verhindert wird. Schade für das Publikum! In der Gegenwart der weltumspannenden Digitalisierung ist es immer schwieriger an bezahlbare Kopien von alten Filmen zu kommen. Wer die Rechte an den Werken hat, ist oft schleierhaft und nur mit grossem Aufwand herauszufinden. Wenn man die Filme nicht ab DVD oder BlueRay abspielen möchte, sondern dem Publikum das Erlebnis einer Filmprojektion in ursprünglicher Form möglich machen möchte, wird es doppelt schwierig. Entweder man hat staatliche oder andere Subventionen und kann finanziell aus dem Vollen schöpfen oder man versucht Nischen zu finden. Was bleibt, ist eine sehr beschränkte Filmauswahl. Dennoch bleiben wir bestrebt und guter Dinge daran die aussterbende analoge Filmprojektion da und dort dem Publikum zu erhalten und so eine alternative zum «Beamerkino» zu bieten. Die Erfahrung zeigt, dass dies geschätzt wird und immer wieder verblüffte Zuschauerinnen und Zuschauer hinterlässt.

«Wenn der Projektor rattert, das Licht sich den Weg durch die Dunkelheit auf die Leinwand bahnt, um dort knisternd die grossen und kleinen Geschichten des Lebens zu erzählen, dann steht die Welt still!»

Manuel Lindt, Wanderkino
http://wanderkino.ch