Winterthur wohin?

Das Gejammer über die Finanzen hat die Stadt Winterthur in eine geistige Stagnation und Langweiligkeit geführt. Der Aufbruch und die Entwicklung der letzten 20 Jahre sind durch das Finanzloch ins Stocken geraten und das frisch aufpolierte Image der Stadt wurde stark angekratzt. Im Zeichen der Sparvorgaben dreht sich die aktuelle politische Auseinandersetzung kaum mehr um inhaltliche Zielsetzungen in gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht, sondern vorwiegend um rein finanzielle Aspekte. Es fehlt die Werte-Diskussion und es fehlt an Zukunftsperspektiven. Eine lose Gruppe aus Architekten und Kulturschaffenden hat darum den Verein «Winterthur wohin?» gegründet. Der Verein setzt sich zum Ziel, dass grenzüberschreitend und lustvoll wieder über Inhalte, Entwicklungen und Bedürfnisse gesprochen wird und will damit versuchen die Sparpolitiker und Schwarzmaler von der Bühne zu verdrängen. Ein erster Anlass hat am 16. Juni 15 im gut gefüllten Casinotheater statt gefunden.

Winterthur braucht mehr mutige Visionäre statt ständige Jammerer. Sie braucht dazu auch einen verstärkten Dialog und einen Abbau von Vorurteilen zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur. Dabei darf sich die Kultur nicht nur als Bitsteller präsentieren sondern muss auch seinen aktiven Beitrag dazu leisten. Der Aufschwung beginnt mit der ganzen Bevölkerung. Lösen wir gemeinsam die Probleme lustvoll und mit mehr Herz und Humor. Oder wie es der Schauspieler Heinz Rühmann ausdrückte: «Lächeln ist das Kleingeld des Glücks.». Womit wir wieder beim Geld wären…

David Baumgartner
Kulturbauer

http://winterthurwohin.ch
(Kolumne Stadtanzeiger Winterthur vom 23.6.15)

Gebühren statt Steuern

Diverse Steuergeschenke haben ein grosses Loch in die Stadtkasse gerissen. Um dieses wieder zu stopfen hat sich das Stadtparlament in den letzten Jahren aber mit Händen und Füssen gegen eine Steuererhöhung gewehrt. Das ganze Ausbaden kann nun die Bevölkerung und vor allem die finanziell Schwachen. Sport und Kultur werden dabei doppelt getroffen: Subventionen und Unterstützungsbeiträge werden gekürzt und gleichzeitig Gebühren erhöht. Woche für Woche werden neue Gebührenerhöhung bekannt. Wenn diese später infolge «Kommunikations- oder Formfehler» wieder zurückgestellt werden, wird offensichtlich wie konzeptlos sich die Stadtbetriebe infolge der aufgezwungenen Sparmassnahmen abmühen. Auch ein Hohn ist die Aussage im neuen Kulturleitbild, dass die Stadt günstige Produktionsräume bietet und vermittelt, wenn man gleichzeitig die Bandräume massiv verteuert.

Bei einer Steuererhöhung hätte der allergrösste Teil der Steuerzahlenden nicht mehr als 50 Franken pro Jahr zusätzlich bezahlen müssen. Dieser Teil der Bevölkerung wäre mit einer Steuererhöhung günstiger gefahren als mit den nicht einkommensabhängigen Gebührenerhöhungen. Die Reichen sparen, die Armen zahlen… Nun, wir haben uns dieses Parlament selber gewählt! Und noch abschliessend zum Thema Worthülsen und Spar-Politik: wenn ich mir das schön gestaltete und aufwändig gedruckte Kulturleitbild anschaue – mit dem Geld hätte die Stadt ein paar schöne kulturelle Veranstaltungen unterstützen können…

David Baumgartner
(Kolumne Stadtanzeiger Winterthur, 12.4.15)

Kongress- statt Kulturstadt?

Im Jahre 2009 hat eine Studie über die City-Halle gezeigt, dass ein Kongressgebäude ohne Unterstützung der öffentlichen Hand nicht rentabel bewirtschaftet werden kann. Dazu mal habe ich es schade gefunden, gerade weil die City-Halle eine ideale Kombination zwischen Event- und Tagungshaus hätte bieten können. Unterdessen sind in der ganzen Schweiz (vorwiegend unrentable!) Kongresszentren entstanden. Auch in Winterthur habe ich bisher kaum eine grosse Nachfrage nach Kongressräumen gespürt. Nun kommt die Stadtregierung, im Rahmen der Sparhysterie auf die Idee, eines der grössten Theater der Schweiz abzureissen und dafür ein neues Kongresszentrum zu bauen. Für eine Stadt die sich selber Kulturstadt nennt, ist dies ein direkter Faustschlag an die Theaterszene. Unterdessen erstaunt es auch nicht mehr, dass das Theater im Entwurf des neuen Kulturleitbildes kaum Erwähnung findet.

Eine funktionierende Kombination zwischen den Bedürfnissen eines Kongresszentrums und eines internationalen Theaters, ist kaum möglich. Mehrere Versuche sind daran schon gescheitert. Und nur ein halbes Theater hat nicht die gleiche Leuchtturm-Ausstrahlung wie ein ganzes.

Was sich auf den ersten Blick als Sparmöglichkeit anbietet, endet schlussendlich im finanziellen Debakel. Es ist unglaublich, wie leichtfüssig die Stadt bereit ist Bestehendes zu opfern. Die Stadt sägt am Stamm der Kultur. Dabei wird immer wieder vergessen, dass Kultur eine grosse Wertschöpfung bringt. Die heutige Stadtregierung zeigt mit ihren Ideen dazu keine Wertschätzung.

David Baumgartner

Teure Kultur

Kolumne von Rhaban Straumann und Matthais Kunz (Strohmann-Kauz)

S Du, Kauz, wir sollten vielleicht einmal Danke sagen.
K Weil die Sparmassnahmen die Kultur erreicht haben?
S Genau.
K Strohmann, spinnst du?!
S Sei ehrlich, Kultur hat doch eine riesige Anspruchshaltung gegenüber der öffentlichen Hand. Wie niemand sonst.
K Kennst du Kurzarbeit?
S Natürlich, also nicht persönlich. Wieso?
K Kurzarbeit ist vom Bund finanziert. Ebenso wie die Starthilfen für KMUs, die geheimen Steuerdeals mit den Grossen oder die Schweizerische Exportrisikoversicherung.
S Ja, aber da geht’s um…
K Oder die staatliche Medienförderung mit den Mehrwertsteuervergünstigungen und der verbilligten Distribution.
S Fertig? Oder hast du noch weitere Subventionen auf Lager?
K Sportförderung.
S Das wäre dann alles?
K Mal abgesehen von den immensen externen Kosten des Strassenverkehrs, die von der Allgemeinheit getragen werden.
S Peanuts! Und da geht’s um Arbeitsplätze. Aber ich vermute, sonst lebt niemand derart von Subventionen wie die Kulturbranche.
K Nein.
S Gut.
K Wobei, wenn die Atomstromproduzenten den GAU versichern müssten, den sie anrichten können und auch für Zwischen- und Endlagerung soviel einbezahlt hätten wie es kosten wird, wäre der Atomstrompreis schon lange dort, wo er hingehörte.
S Alles eine Frage der Lobby. „Seh ich dich im Strahlenmeer…“
K Unter uns gesagt: Subventioniert ist ja auch die ganze Bundesverwaltung mit dem garantierten jährlichen Lohnanstieg.
S Ja auch das sollen Arbeitsplätze sein. Sonst aber lebt bestimmt niemand so von Subventionen wie die K…
K Vielleicht noch die Hotellerie, die seit 1995, also fast 20 Jahre von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz profitiert. Der wurde dem Volk damals als kurzfristige Massnahme verkauft und kostet die Steuerzahler bisher fast 3 Milliarden Franken.
S Da geht’s halt um Arbeitsplätze!
K Staatliche Unterstützung haben die auch noch von der Tourismusförderung, der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit und Schweiz Tourismus.
S Wie gesagt: Arbeitsplätze.
K Oder die Landwirtschaft: 5 Milliarden pro Jahr! Davon gehen 1,5 Milliarden für Futtermittel direkt ins Ausland.
S Ebenfalls wichtige Arbeitsplätze.
K Anderes Beispiel: Die Schnapsbrenner mit der Schnapssteuerermässigung und den Fördermassnahmen für den Marktauftritt.
S Wir wollen Vollbeschäftigung.
K Für die Banker haben wir noch die Staatsgarantien, falls die wieder mal überborden sollten.
S Hab gehört, auch da würde gearbeitet.
K Sind nicht alle Bauaufträge der Öffentlichen Hand ein grosses Konjunkturpaket?
S Ja und vor allem Arbeitsplätze.
K Jetzt hör mal auf mit diesem Totschlagargument. Auch in der Kultur sind es Arbeitsplätze.
S Ach, hör doch auf! Ist doch alles freiwillig.
K 50’000 bis 200’000 Menschen arbeiten in der Kulturbranche, je nach Statistik.
S Echt? Das sind ja deutlich mehr als die 10’000 Beschäftigten in der Schweizer Rüstungsbrache.
K Richtig.
S Lustig, dass immer die mit den geschützten Arbeitsplätzen…
K Du meinst die in den unterstützten Arbeitsmärkten…
S Dass genau die den freien Markt in der Kultur fordern.
K Frei ist nur, wer das sagt, was die Leute nicht hören wollen.
S Aber man schmückt sich gerne mit Kultur.
K Und vergibt Preise.
S Ist wie Brot und Spiele.
K Selbst die wurden vom Staat finanziert.
S Was?
K Brot und Spiele.
S Dann zählen plötzlich nur noch die Einschlafquoten. Schöner, freier Markt.
K Schöne Illusion. – Du wolltest was sagen?
S Danke.

Die Kolumne ist im Dezember 2014 im Nebelspalter erschienen.
http://www.strohmann-kauz.ch

Kulturhaus Langenthal

von Matthias Kunz

Wer behauptet, Langenthal habe diverse Räume für Kleinkunst, liegt falsch. Und zwar richtig falsch. Denn Langenthal hat keine Kleinkunstbühne. Da können die Gegner der Stadttheatervorlage noch lange das Gegenteil behaupten. Das katholische Kirchgemeindehaus ist keine Kleinkunstbühne. Das Forum Geissberg ist schön renoviert, hat einen neuen Namen, ist aber weiterhin keine. Ebenso wenig das Zwinglihaus. Der Jugendtreff steht bekanntlich vor allemder Jugend zur Verfügung, das Dreilinden ist ein Eventtempel, und die geschlossene Mühle ist geschlossen.

An diesen und anderen Orten finden Anlässe statt, keine Frage, aber eine entsprechende Infrastruktur ist nirgends vorhanden. Es fehlt an einer Theaterbeleuchtung, an Vorhängen, Tontechnik oder einer Heizung. Als Beispiel sei hier nur das renovierte Forum Geissberg angefügt. Dort befindet sich die Steuerung für den Ton fest verbaut im Hinterbühnenraum. Der Tontechniker wird die Lautstärke im Saal nie hören.

Kleinkunst hat meist einen geringeren technischen Aufwand, aber nicht keinen, und sie lebt von der Atmosphäre des kleinen Saals und wird nicht für Mehrzweckhallen produziert.

Doch die Abstimmungsvorlage von der Kleinkunst abhängig zumachen, ist zu klein gedacht. Wer die Abstimmungsbotschaft liest, erfährt anderes: «Der neue Veranstaltungsraum wird als multifunktionaler Raumkonzipiert, der sowohl als Bühne als auch alsKurs-, Probe- und Arbeitsraumgenutztwerden kann.» Zudem hängt dieWirtschaftlichkeit des ganzen Hauses massgeblich vom zusätzlichen Raum ab. Genau dies wird ja immer wieder von der Kultur gefordert: Eigenwirtschaftlichkeit. Dies zu verschweigen, entspricht wahrscheinlich taktischen Motiven, auch die Behauptung, der Raum werde nur für zehn Veranstaltungen jährlich benützt.

Dass die Vorlage so schnell durchs Parlament kam, legt die Vermutung nahe, dass hier versucht wird, die Stadttheatersanierung gegen das Defizit der Budgetvorlage auszuspielen.

Die Konsequenzen einer allfälligen Ablehnungmuten schon fast satirisch an. «Gemäss den Angaben der kantonalen Gebäudeversicherung müsste bei allen Vorstellungen mit mehr als 200 Besuchenden (ca. 55 pro Saison) ein spezielles Sicherheitsdispositiv erstellt werden, bestehend aus der Anwesenheit von neun Feuerwehrleuten und von ausgelegten Schläuchen im Stadttheater» (O-Ton Abstimmungsbotschaft). Ein wahrlich beruhigender Anblick. Und nicht ganz gratis.

Verglichenmit ähnlichen Kulturhäusern in der Schweiz, ist diese Sanierung kein Luxus, sondern dringend nötig und vernünftig. Klar, viele Langenthaler gehen nie ins Theater. Aber viele gehen nie auf die Schlöf, in die Badi, in eine Turnhalle, ins Spital oder benützen nie eine Autobahn oder einen öffentlichen Bus. Doch ein Haus, das 20000 Besucher pro Jahr  anzieht, ist als kultureller und wirtschaftlicher Standortfaktor wichtig. Denken sie nur an die generierten Hotelübernachtungen, Inserate und Nachtessen. Dieses Kulturhaus gehört zu unserer Grundversorgung!

 

Matthias Kunz, aufgewachsen in Roggwil, lebt in Bern.

Fliegende Kuh & Börsenglück

Von Rhaban Straumann (www.rhabanstraumann.ch)

Manchmal ist Zeit, sich zu Glück, Pech und Zufall Gedanken zu machen. Der November eignet sich gut. Vor einem halben Jahr, Mitte April war die grosse Künstlerbörse der Schweizer Kleinkunstszene. Schaukasten der Eitelkeiten, Seiltanz zwischen Grosszügigkeit und Konkurrenz sowie Brutkasten des Erfolgs. Dort bewährt sich der richtige Mix des Cocktails: Talent, Können und Riecher, Hartnäckigkeit, Beziehungen und Glück. Sowie Multiplikatoren, die einen allfälligen Erfolg kommunizieren. Wollen.

Doch macht nicht erst Erfolg erst richtig erfolgreich? Bis die Gage derart unartig hoch wird, damit eine Handvoll Auftritte jährlich genügen würde? Oder reicht es, wenn die Leidenschaft zur Existenz wird? Welche Rolle spielen Fernsehen und Radio? Ist das Welt bewegend? Relevant? Kaum.

Wenn ich Erfolg höre, sehe ich eine fliegende Kuh. Das war 2010, zwischen Gastspielen in Konolfingen und Heidelberg. Beim Künstlerpech ist es der erste Auftritt an besagter Börse in Thun. 2004. Stück und Ensemble hiessen ‚Amor, Venus & Koller’. Das Künstlerdasein war eines ohne Agentur und Beziehungen, gänzlich unbekannt. Gezeigt wurden 20 Minuten. Ein begehrtes Zeitfenster. Jährlich melden sich Hunderte Ensembles und Einzelkünstlerinnen zum Familienfest der Kulturvereine an. Zum Handkuss kamen heuer rund 80. Die Mehrheit der Kleinbühnen gestaltet ihren Programmkuchen aus dem Teig, welcher ihnen da präsentiert wird. Ein Riesenglück also, dort auftreten zu können.

Pech, dass das Stück, welches im Hirn eines Mannes spielte, pantomimisch anmoderiert wurde. Um halb vor Mitternacht. „Gut gespielt, nix verstanden“, war die Rückmeldung. Ein Tausendköpfiges Unisono. Von Folgeauftritten, die Idee der Börse, keine Rede. Trotzdem spielten wir uns 50 Mal. Auch in Zürich, Bern und für das Team des Kassensturz’. Erst zuletzt Daheim in Olten. Kleiner Erfolg, grosse Genugtuung. Künstler leben auch ohne Börse. Nur ist der Weg ein anderer. Steiniger. Steil und fordernd. Das Folgestück ‚monopoly’ wurde am Telefon von Veranstaltern mit „habe euch in Thun gesehen“ abgelehnt. Scheitern kann nachhaltig Weh tun.

Sieben Jahre hiernach war uns das Börsenglück erneut hold. Dazwischen liegen einige 100 Gastspiele, aufgelöste und neue Ensembles, jährlich zwei Anmeldungen mit neuen Programmen in Thun, endlich eine Agentur und schau her: Ein Doppelgastspiel. ‚Ges(t)ammelte Werke’ und ‚ungerdüre’. Schönes Glück, grosses Echo. Dumm nur, dass die Programme schier schon ausgespielt waren.

Heuer, drei Jahre und nochmals mehrere 100 Gastspiele später, die Agentur eine neue, hatten ‚Ruedi & Heinz’ ihren Börsenauftritt. Beziehungen? Gute Frage. Die Bessere lautet: Wer hat die Besseren? Wer darf jede neue Produktion präsentieren? Wer nie? Die dumme Frage: Ist das gerecht? Bestimmen tut die Auswahlkommission. Und zuvor die Vorauswahlkommission.

Der Auftritt von ‚Ruedi & Heinz’ war ein Erfolg. Nachhaltig. Wir können bis im Herbst 2015 davon zehren. Welch ein Glück! Derweil frage ich mich, wie viel Platz haben Land und Szene für Zufälle und denke an die Kuh, welche ich auf dem Heimweg von Konolfingen fliegen sah. Ein Betrunkener fuhr sie an. Zufall. Dumm und tragisch. Für mich fest verankert mit dem Gastspiel von ‚genmobbing’ tags darauf in Heidelberg, wo das Stück für den Theaterpreis nominiert war. Ohne Beziehungen. Ohne Agentur. Ein Erfolg? Egal. Den andern Weg erkämpft und entdeckt zu haben, im Wissen selbst darauf verzichten zu können, das macht glücklich. Und frei.

Rhaban Straumann (Stohmann-Kauz)
Schauspieler und Satiriker, Olten

Der fehlende Funke zum Jubiläum 750 Winterthur

Winterthur feiert in diesem Jahr 750 Jahre Stadtrecht. Dazu wurden verschiedene Festivitäten geplant, einige davon blieben bereits im Vorfeld stecken. Solche Jubiläen bieten Zeit für Gedanken zwischen dem Vergangenen und der Zukunft und die Möglichkeit die Stadt neu zu entdecken oder einzigartige Begegnungen zu machen.

Schon bald ist die Hälfte das Stadtjubiläums vorbei. In diesen 5 Monaten ist das Fest wohl bei einem grossen Teil der Bevölkerung bisher unbeachtet geblieben. Auch ausserhalb der Stadt wurde das Jubiläum kaum war genommen. Bei vielen der bisherigen Veranstaltungen war der Bezug zum Jubiläum nicht sichtbar. Viele wären auch sonst durchgeführt worden. Die Vielfalt des Programms ist zu breit, ohne klarem Motto, ohne Visionen. Vieles sind kurzfristige Events ohne nachhaltiger Wirkung und ohne Geist und Seele. «Wir sind Winterthur» heisst soviel wie, wir sind vielfältig, klein und unspektakulär.

Wo sind die einzigartigen Kooperationen der verschiedenen Vereinen und Organisationen? Wo sind die Durchmischungen von Generationen und Bevölkerungsschichten? Der grosse Funke für das gemeinsame Fest ist noch nicht entfacht worden. Vielleicht fehlt dazu einfach der begeisternde Image-Träger? Vielleicht sind im Umfeld der Organisation einfach zu viele Zürcher involviert, ohne Bezug zum Lokalen? Die Chance, mit dem Fest die Stadt neu zu präsentieren ist leider bisher nicht ausgenützt worden. Aber wir haben dazu ja noch 7 Monate Zeit. 

David Baumgartner
Kolumne Stadtanzeiger Winterthur, 20.5.14

Schweizer Kabarett-Preis Cornichon 2014 geht an schön&gut

Der Schweizer Kabarett-Preis Cornichon 2014 geht an schön&gut. Damit werden anlässlich der 27. Oltner Kabarett- Tage 2014 (7. bis 17. Mai) zwei politisch-musikalische Kabarettisten ausgezeichnet, die mit der feinen Klinge an der scheinbar heilen Fassade der Schweiz ritzen.

Die Gesellschaft Oltner Kabarett-Tage ehrt das Duo schön&gut mit dem Schweizer Kabarett-Preis Cornichon 2014. Seit über zehn Jahren überzeugen Anna-Katharina Rickert und Ralf Schlatter mit hochkarätigem, politisch-gesellschaftlichem Kabarett. Ihre grosse Kunst sind die Verschachtelung von Geschichten, fliegende Rollenwechsel und ihre mit grösster Sorgfalt gepflegte Sprache, die in rasanten Wortspielen immer wieder literarische Sphären erreicht.

Die beiden Kabarettisten glänzen mit Wärme und Echtheit ihrer Figuren, musikalischer Finesse und feinem Gespür für latent schwelende Fragen unserer Zeit. Damit kultivieren schön&gut Humor für Fortgeschrittene, ohne dabei an Volksnähe einzubüssen. Für diese kunstvolle Gratwanderung und ihre poetisch-musikalischen Analysen menschlicher Befindlichkeiten werden schön&gut mit dem Cornichon 2014 ausgezeichnet.

http://www.kabarett.ch/de/aktuelles/meldungen/2014-02-25-13-02-23.php
06.03.2014

Hinter den Kulissen

Von Rhaban Straumann (www.rhabanstraumann.ch)

Unser Tourneetechniker ist beliebt. Ebenso sein Ersatz. Liegt nicht nur daran, dass meine drei, vier Ensembles hierzulande zu derjenigen Minderheit zählen, die ihren eigenen Techniker mitbringt. Meistens. Wir haben Ansprüche. Immer. Drum sparen wir uns den stillen Schaffer nicht. Schaffen wir nicht. Zu gut ist er. Zuvorkommend. Und scheut keinen Aufwand. Unabhängig vom Honorar. Vorbei mit Liebe ist es, wenn er einen Platzhirsch vom Thron stürzt. Dann kann es sein, dass der gestürzte Haustechniker ihn (und uns) nicht einmal mehr mit dem Hinterteil beachtet. Darf nicht Weh tun. Sonst geht die Schaffensqualität flöten. Stolz ist ein schlechter Berater.

Es war das 80. Gastspiel mit ‚jour fixe’. Ein bald zehnjähriges, viel gelobtes Bühnenstück. Der Haustechniker hatte lobenswerterweise seine vier LED-Scheinwerfer bereits im Vorfeld installiert und begrüsste uns mit „Farbe wechselndes Licht hattet ihr noch nie!“ Alleine die Tatsache, dass es mehr Aussage denn Frage war, liess aufhorchen. Als er endlich realisierte, dass nicht er Licht und Ton während der Vorstellung fahren würde, war es um die Eintracht geschehen: „Ich lasse keinen Fremden an mein Pult! Nie.“

Doch. Einmal ist das erste Mal. Wir erleben das oft. Absolutismus ist der Sache nicht zuträglich. Siehe Politik. Es ist ja nicht so, dass unserem Techniker die Rolle des Haustechnikers fremd wäre. Im Gegenteil. Als einer von fünf Technikern von Nachtfieber, der standfestesten Spätnachtschau der Schweiz erfüllt er sie mit Bravour. Zusammen mit rund 30 weiteren Gastgeberinnen und Gastgebern.

Technik ist neben Schauspiel, Publikum und Gastspielort die vierte Gewalt. Wie die Medien im Staat. Ohne geht es zwar, klar. Doch ohne wird Leben dürftig. Alle Gewalten tragen Verantwortung. Die Partner eines Gastspiels teilen sich Neugier, Gastfreundschaft, zweimal volle Leistung und höchste Konzentration. Neugier ist die Holschuld des Publikums. Analog zur Informationsbeschaffung in einer Demokratie. Nur unterhalten werden wollen, ist ziemlich flach. Hier und dort. Finde ich.

Technik schafft die Basis für Atmosphäre. Ist Voraussetzung, damit das Publikum sich frei fühlen kann. Sich nicht gegenseitig beobachten muss, da der Saal dunkel ist. Zum Beispiel. Das wiederum erspart allen Beteiligten das Markieren von überlegener Kunstbeflissenheit oder überschätzter Urbanität. Techniker sind Voraussetzung für einen guten Abend. Sie sind es übrigens auch, die Politikerinnen ins rechte Licht rücken. Auch die Linken. Sie sorgen dafür, dass wir Politiker verstehen. Akustisch zumindest.

Bauklötze staunte der besagte Haustechniker als wir Kiste um Kiste drei Stockwerke hoch schleppten. Zur Hälfte Technik. Mit nur vier Lichtquellen lässt sich kein Theaterstück beleuchten. Leuchtet nicht allen ein. Eine Erfahrung, die sich bei über 100 Gastspielen jährlich, da und dort wiederholt. Man trifft auf der Reise via Kleintheater, Keller und Aulen einiges an. Oft viel Nichts. Weshalb wir Material und Beziehungen genug haben um ein ganzes Theater einzurichten. Kosten, die ganz grosse Namen auf die Veranstalter abwälzen dürfen. Warum auch immer. Egalité kommt halt aus dem Französischen.

Wer nun denkt, das riecht nach einer Hommage an die Menschen hinter den Kulissen, liegt richtig. Ich bin unendlich dankbar für ein Umfeld, das auf dem Boden der Realität und Menschlichkeit geblieben ist. Respekt. So ist es schön ins neue Jahr zu springen. Ich bitte um Applaus für die stillen Schafferinnen und Schaffer. – Danke.

Von Rhaban Straumann
(Kolumne Oltner Tagblatt, 3.1.14)

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Deutscher Kleinkunstpreis 2014: Schweizer Festspiele mit Knuth und Tucek, Ohne Rolf und Franz Hohler

Unter den fünf Preisträgern des Deutschen Kleinkunstpreises 2014 sind drei Schweizer: Die Kabarettistinnen Knuth & Tucek, Schriftsteller Franz Hohler und das Duo Ohne Rolf wurden von der Jury ausgewählt und erhalten jeweils den mit 5000 Euro dotierten Preis.

Der Kleinkunst-Hattrick ist geschafft: Drei der fünf mit 5000 Euro dotierten Preise des Deutschen Kleinkunstpreises gehen an Schweizer Künstler. «So etwas hat es bisher noch nie gegeben und wird es wohl auch nie mehr geben», so die Einschätzung von Alexander Götz, Jurymitglied und Redaktor Hörspiel und Satire bei SRF.

Den Preis der Sparte Chanson/Lied/Musik erhält das Zürcher Duo «Knuth & Tucek». Mit engelsgleichen Stimmen, auf hohem musikalischen Niveau würden Nicole Knuth und Olga Tucek aufs Publikum einhauen – auf unsere trägen Ansichten und engherzigen Meinungen, so das Urteil der Jury. «Das Schweizer Duo ist bitterböse, aber gerecht, virtuos, aber auf dem Boden. Einfach zwei gute Kleinkunst-Prachtweiber.»

«Absurdes Theater und philosophisches Kabarett»

In der Sparte Kleinkunst geht der Preis an das Duo «Ohne Rolf» – ein Duo, «das mit seinem Plakatumblätterkabarett eine verblüffende Spielform entwickelt hat», so das Urteil der Jury. Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg würden mit einer eigenständigen Mischung aus absurdem Theater und philosophischem Kabarett begeistern. «Noch nie war Lesen so wunderbar, aufregend und herrlich unterhaltsam.»

 «Ein phantasievoller Moralist»

Der Ehrenpreis schliesslich geht an Franz Hohler. Mit Cello oder Merkheft entführe er das Publikum in eine scheinbar heile Märchenwelt, um es dann mit gezielten Attacken wieder in die raue Wirklichkeit zurückzuholen. «Ein phantasievoller Moralist, der mit feinem Humor seine Mitmenschen sanft an die Hand nimmt», so das Urteil der Jury. Für Franz Hohler ist dies die zweite Auszeichnung mit dem Deutschen Kleinkunstpreis, er gewann diesen bereits 1973 in der Sparte Kabarett.

Der politische Kabarettist «HG.Butzko» gewinnt in der Sparte Kabarett, der Wiener Künstler Klaus Eckel den Förderpreis der Stadt Mainz.

Die Auszeichnungen werden am 9. März im Mainzer Kleinkunsttheater Unterhaus überreicht. Der mit insgesamt 25‘000 Euro dotierte Preis gilt neben dem Salzburger Stier als einer der wichtigsten der deutschsprachigen Kleinkunstszene und wird dieses Jahr zum 42. Mal vergeben. «Der Deutsche Kleinkunstpreis ist der älteste und höchst-dotierte Preis. Wer diesen Preis gewinnt, der kann sich darauf gefasst machen, dass er ein turbulentes Jahr haben wird», so die Einschätzung von Alexander Götz, Jurymitglied und Redaktor Hörspiel und Satire bei SRF

> Deutscher Kleinkunstpreis 2014
> Mitteilung SRF