Im grossen Kanton

Essen kann man in Deutschland echt günstig. Und einkaufen liesse es sich vermutlich ebenso. Auch Kultur geniessen lässt es sich mit schmalem Portemonnaie. Für Schweizer Verhältnisse. Das Ticket im Kleintheater kriegt man für 18 Euro. Grossartig. Geht es um die Gage, wird offensichtlich weshalb. «Ich würde Strohmann-Kauz gerne wieder einladen», sagt uns der Veranstalter nach dem Gastspiel in Freiburg, «aber ich habe ein schlechtes Gewissen. Der Gage wegen.» Das brauche er nicht zu haben, sagen wir. Erstens hätten wir gewusst, worauf wir uns einliessen. Zweitens könnten wir uns dieses Abenteuer leisten. Wir spielten in der Schweiz sehr viel und verdienten dabei genug. «Dann ist die Deutschlandtour für euch das Hobby», grinst der kulturelle Hausherr. Ein schönes Hobby, denken wir. Verkehrte Welt. Während deutsche Veranstalter uns gegenüber ein schlechtes Gewissen haben, werden wir in der Schweiz stets noch gefragt, wovon wir leben würden. Oder ob wir davon leben könnten. Wir tun es damit und trotz solcher Fragen. Daran wird sich so schnell vermutlich nichts ändern. Dazu müssten die Medien anders mitspielen. Neugieriger. Mutiger. Ansonsten sind die Unterschiede dies- und jenseits der Grenze dünn. Ähnlich der Humor, die Lacher. Da die Reaktion vereinzelt schneller, stärker, betroffener. Hier zurückhaltender. Manchmal umgekehrt. Je nach Szene, je nach Pointe. Das deutsche Publikum zeigt sich einzig zwischen den Szenen applausfreudiger. Kurz, Deutschland hat gerufen und wir nahmen die Herausforderung lustvoll an. Dabei lernen wir viel. Spielend. Über uns. Über Deutschland. Und die Schweiz. Vor allem aber haben wir endlich wieder ein Hobby.

von Rhaban Straumann
Schauspieler, Satiriker und Autor aus Olten
Kolumne Stadtanzeiger Olten, Feb. 2019

 

Hinter den Kulissen

Von Rhaban Straumann (www.rhabanstraumann.ch)

Unser Tourneetechniker ist beliebt. Ebenso sein Ersatz. Liegt nicht nur daran, dass meine drei, vier Ensembles hierzulande zu derjenigen Minderheit zählen, die ihren eigenen Techniker mitbringt. Meistens. Wir haben Ansprüche. Immer. Drum sparen wir uns den stillen Schaffer nicht. Schaffen wir nicht. Zu gut ist er. Zuvorkommend. Und scheut keinen Aufwand. Unabhängig vom Honorar. Vorbei mit Liebe ist es, wenn er einen Platzhirsch vom Thron stürzt. Dann kann es sein, dass der gestürzte Haustechniker ihn (und uns) nicht einmal mehr mit dem Hinterteil beachtet. Darf nicht Weh tun. Sonst geht die Schaffensqualität flöten. Stolz ist ein schlechter Berater.

Es war das 80. Gastspiel mit ‚jour fixe’. Ein bald zehnjähriges, viel gelobtes Bühnenstück. Der Haustechniker hatte lobenswerterweise seine vier LED-Scheinwerfer bereits im Vorfeld installiert und begrüsste uns mit „Farbe wechselndes Licht hattet ihr noch nie!“ Alleine die Tatsache, dass es mehr Aussage denn Frage war, liess aufhorchen. Als er endlich realisierte, dass nicht er Licht und Ton während der Vorstellung fahren würde, war es um die Eintracht geschehen: „Ich lasse keinen Fremden an mein Pult! Nie.“

Doch. Einmal ist das erste Mal. Wir erleben das oft. Absolutismus ist der Sache nicht zuträglich. Siehe Politik. Es ist ja nicht so, dass unserem Techniker die Rolle des Haustechnikers fremd wäre. Im Gegenteil. Als einer von fünf Technikern von Nachtfieber, der standfestesten Spätnachtschau der Schweiz erfüllt er sie mit Bravour. Zusammen mit rund 30 weiteren Gastgeberinnen und Gastgebern.

Technik ist neben Schauspiel, Publikum und Gastspielort die vierte Gewalt. Wie die Medien im Staat. Ohne geht es zwar, klar. Doch ohne wird Leben dürftig. Alle Gewalten tragen Verantwortung. Die Partner eines Gastspiels teilen sich Neugier, Gastfreundschaft, zweimal volle Leistung und höchste Konzentration. Neugier ist die Holschuld des Publikums. Analog zur Informationsbeschaffung in einer Demokratie. Nur unterhalten werden wollen, ist ziemlich flach. Hier und dort. Finde ich.

Technik schafft die Basis für Atmosphäre. Ist Voraussetzung, damit das Publikum sich frei fühlen kann. Sich nicht gegenseitig beobachten muss, da der Saal dunkel ist. Zum Beispiel. Das wiederum erspart allen Beteiligten das Markieren von überlegener Kunstbeflissenheit oder überschätzter Urbanität. Techniker sind Voraussetzung für einen guten Abend. Sie sind es übrigens auch, die Politikerinnen ins rechte Licht rücken. Auch die Linken. Sie sorgen dafür, dass wir Politiker verstehen. Akustisch zumindest.

Bauklötze staunte der besagte Haustechniker als wir Kiste um Kiste drei Stockwerke hoch schleppten. Zur Hälfte Technik. Mit nur vier Lichtquellen lässt sich kein Theaterstück beleuchten. Leuchtet nicht allen ein. Eine Erfahrung, die sich bei über 100 Gastspielen jährlich, da und dort wiederholt. Man trifft auf der Reise via Kleintheater, Keller und Aulen einiges an. Oft viel Nichts. Weshalb wir Material und Beziehungen genug haben um ein ganzes Theater einzurichten. Kosten, die ganz grosse Namen auf die Veranstalter abwälzen dürfen. Warum auch immer. Egalité kommt halt aus dem Französischen.

Wer nun denkt, das riecht nach einer Hommage an die Menschen hinter den Kulissen, liegt richtig. Ich bin unendlich dankbar für ein Umfeld, das auf dem Boden der Realität und Menschlichkeit geblieben ist. Respekt. So ist es schön ins neue Jahr zu springen. Ich bitte um Applaus für die stillen Schafferinnen und Schaffer. – Danke.

Von Rhaban Straumann
(Kolumne Oltner Tagblatt, 3.1.14)

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