Von Rhaban Straumann (www.rhabanstraumann.ch)
Unser Tourneetechniker ist beliebt. Ebenso sein Ersatz. Liegt nicht nur daran, dass meine drei, vier Ensembles hierzulande zu derjenigen Minderheit zählen, die ihren eigenen Techniker mitbringt. Meistens. Wir haben Ansprüche. Immer. Drum sparen wir uns den stillen Schaffer nicht. Schaffen wir nicht. Zu gut ist er. Zuvorkommend. Und scheut keinen Aufwand. Unabhängig vom Honorar. Vorbei mit Liebe ist es, wenn er einen Platzhirsch vom Thron stürzt. Dann kann es sein, dass der gestürzte Haustechniker ihn (und uns) nicht einmal mehr mit dem Hinterteil beachtet. Darf nicht Weh tun. Sonst geht die Schaffensqualität flöten. Stolz ist ein schlechter Berater.
Es war das 80. Gastspiel mit ‚jour fixe’. Ein bald zehnjähriges, viel gelobtes Bühnenstück. Der Haustechniker hatte lobenswerterweise seine vier LED-Scheinwerfer bereits im Vorfeld installiert und begrüsste uns mit „Farbe wechselndes Licht hattet ihr noch nie!“ Alleine die Tatsache, dass es mehr Aussage denn Frage war, liess aufhorchen. Als er endlich realisierte, dass nicht er Licht und Ton während der Vorstellung fahren würde, war es um die Eintracht geschehen: „Ich lasse keinen Fremden an mein Pult! Nie.“
Doch. Einmal ist das erste Mal. Wir erleben das oft. Absolutismus ist der Sache nicht zuträglich. Siehe Politik. Es ist ja nicht so, dass unserem Techniker die Rolle des Haustechnikers fremd wäre. Im Gegenteil. Als einer von fünf Technikern von Nachtfieber, der standfestesten Spätnachtschau der Schweiz erfüllt er sie mit Bravour. Zusammen mit rund 30 weiteren Gastgeberinnen und Gastgebern.
Technik ist neben Schauspiel, Publikum und Gastspielort die vierte Gewalt. Wie die Medien im Staat. Ohne geht es zwar, klar. Doch ohne wird Leben dürftig. Alle Gewalten tragen Verantwortung. Die Partner eines Gastspiels teilen sich Neugier, Gastfreundschaft, zweimal volle Leistung und höchste Konzentration. Neugier ist die Holschuld des Publikums. Analog zur Informationsbeschaffung in einer Demokratie. Nur unterhalten werden wollen, ist ziemlich flach. Hier und dort. Finde ich.
Technik schafft die Basis für Atmosphäre. Ist Voraussetzung, damit das Publikum sich frei fühlen kann. Sich nicht gegenseitig beobachten muss, da der Saal dunkel ist. Zum Beispiel. Das wiederum erspart allen Beteiligten das Markieren von überlegener Kunstbeflissenheit oder überschätzter Urbanität. Techniker sind Voraussetzung für einen guten Abend. Sie sind es übrigens auch, die Politikerinnen ins rechte Licht rücken. Auch die Linken. Sie sorgen dafür, dass wir Politiker verstehen. Akustisch zumindest.
Bauklötze staunte der besagte Haustechniker als wir Kiste um Kiste drei Stockwerke hoch schleppten. Zur Hälfte Technik. Mit nur vier Lichtquellen lässt sich kein Theaterstück beleuchten. Leuchtet nicht allen ein. Eine Erfahrung, die sich bei über 100 Gastspielen jährlich, da und dort wiederholt. Man trifft auf der Reise via Kleintheater, Keller und Aulen einiges an. Oft viel Nichts. Weshalb wir Material und Beziehungen genug haben um ein ganzes Theater einzurichten. Kosten, die ganz grosse Namen auf die Veranstalter abwälzen dürfen. Warum auch immer. Egalité kommt halt aus dem Französischen.
Wer nun denkt, das riecht nach einer Hommage an die Menschen hinter den Kulissen, liegt richtig. Ich bin unendlich dankbar für ein Umfeld, das auf dem Boden der Realität und Menschlichkeit geblieben ist. Respekt. So ist es schön ins neue Jahr zu springen. Ich bitte um Applaus für die stillen Schafferinnen und Schaffer. – Danke.
Von Rhaban Straumann
(Kolumne Oltner Tagblatt, 3.1.14)