Der Nachhaltigkeitssumpf

Für mich ist das Wort «Nachhaltigkeit» schlichtweg das Unwort der heutigen Zeit. Die Verwendung des Begriffs, das eigentlich aus der Forstwirtschaft stammt, ist der Beliebigkeit verkommen. Vorwiegend Politiker, Unternehmen und PR-Agenturen bedienen sich seiner in allen unmöglichen Zusammenhängen. «Nachhaltigkeit» kann heutzutage alles heissen – oder eben auch nichts (mehr). Es fehlt mir bei den Meisten schlichtweg die Glaubwürdigkeit und die ernsthafte Konsequenz. Denn schlussendlich will doch niemand wirklich die Mobilität, die Lebensqualität oder den finanziellen Gewinn reduzieren.

Ist es wirklich Nachhaltig, wenn wir mit Kompensations-Zahlungen unser Gewissen wieder ins reine bringen? Ist ein Lebensmittelladen wirklich glaubhaft, der sich selber als Vorreiter der Nachhaltig betitelt, aber weiterhin Erdbeeren im Winter verkauft oder Mineralwasser aus Island importiert? Unter dem Motto «Winterthur Nachhaltig» versuchen nun auch einige Winterthurer Organisationen und Unternehmen das Bewusstsein der Nachhaltigkeit in dieser Stadt zu fördern. Grundsätzlich ja eine gute Idee, aber wurde beachtet, dass auch Werbung für die Nachhaltigkeit unsere Ressourcen belasten. Dazu bietet neu die ZHAW einen Weiterbildungskurs für «Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb» an. Lernen hier die Kulturmanager, dass Erdbeeren bei uns erst im Frühsommer reif sind? Gibt es bald nur noch Kultursubventionen, wenn der Anlass ein Nachhaltigkeits-Label trägt? Darum bin ich jetzt auch auf das Modewort aufgestiegen: Ich produziere neuerdings nachhaltige Veranstaltungen für Herz und Hirn.

(David Baumgartner, Kolumne Winterthur Stadtanzeiger, Feb. 2012)

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